Wilfried Feichtinger war an der ersten erfolgreichen In-vitro-Fertilisation beteiligt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Als Gynäkologe waren Sie an der ersten erfolgreichen In-vitro-Fertilisation (IVF) in Österreich beteiligt. Damit war der am 5. August 1982 geborene Zlatan Jovanovic ja auch irgendwie Ihr Baby . . .Wilfried Feichtinger: Ja, Zlatans Geburt an der Universitätsfrauenklinik im Wiener AKH war auch für mich eine Sensation. Die meisten hatten vorher gesagt: "Das wird ja nie funktionieren." Ich hatte Zlatans Mutter durch die Schwangerschaft begleitet. Da ich Serbokroatisch spreche, hatte sie großes Vertrauen in mich und wollte mit mir entbinden. Auch aufgrund der Befruchtung war es eine besondere Arzt-Patientinnen-Bindung. Die Behandlung war für sie kostenlos, die Geburt eine Zangengeburt, weil Zlatan ein kräftiger Bursche war. Der Medienrummel war enorm. Die Kinderwunsch-Behandlung ist ja ganz etwas Tolles, sie hat für mich mit dem Leben zu tun.
Welche Position nahm Österreich im internationalen Vergleich ein?
Wir waren weltweit das sechste Land. In England gab es nach Louise Brown (geboren 1978, Anm.) schon einige Retortenbabys, ebenso in Australien, in den USA zwei bis drei, in Deutschland und Frankreich je eines. Zlatan war also etwa die Nummer 20.
Wie hat sich die IVF in Österreich nach Zlatans Geburt entwickelt?
Danach ging es Schlag auf Schlag. Schon im November 1982 kamen Zwillinge zur Welt.
Was hat sich in den vergangenen 30 Jahren geändert?
Die Einstellung war immer eher positiv. Natürlich waren einzelne, konservative Gruppen gegen die IVF. Auf Unverständnis stieß man bei der katholischen Kirche oder bei älteren Generationen, die als Junge eher Angst gehabt hatten, ungewollt schwanger zu werden. Aber wir konnten die Öffentlichkeit rasch überzeugen. Ein medizinischer Fortschritt ist die Blastozystenkultur: Man kann die Zahl der Mehrlingsgeburten einschränken, indem man aus drei befruchteten Eizellen nur eine - die beste - einsetzt.
Nimmt die Zahl der In-vitro-Fertilisationen seitdem stetig zu?
Wirtschaftlich ausgedrückt: Der Markt konsolidiert sich. Die Zahl der Einrichtungen nimmt eher wieder ab. Warum? Weil es gewisse Kliniken nur nebenbei gemacht haben und der Aufwand zu groß geworden ist. Derzeit beruhen zwischen ein und zwei Prozent aller Geburten in Österreich auf In-vitro-Fertilisation.
Darf jede Frau eine künstliche Befruchtung durchführen lassen?
Die Patientin muss einen Partner haben. Unverheiratete brauchen dessen Einverständnis, das ein Notar absegnen muss.
Alleinstehende oder lesbische Frauen sind also ausgenommen?
Ja, allerdings gibt es Bestrebungen seitens der österreichischen Bioethik-Kommission, hier eine Gesetzesänderung durchführen zu lassen. Das Verbot der Eizellenspende gehört aufgehoben. Es verbietet, dass Frauen mit einer gespendeten Eizelle schwanger werden. In Brünn in der Tschechischen Republik, 120 Kilometer von Wien entfernt, ist es erlaubt. Das österreichische Verbot zwingt Patientinnen, ins Ausland zu gehen.
Ist es dort auch billiger?
Nein, ganz im Gegenteil. In Österreich zahlen Patientinnen bis 40 Jahre für vier Versuche nur ein Drittel Selbstbehalt, das sind um die 1000 Euro. Den Rest zahlt der IVF-Fonds: ein Zusammenschluss aus Familienlastenausgleichsfonds und Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Warum werden Patientinnen nur bis 40 Jahre unterstützt?
Weil bis zu diesem Alter die kumulative Schwangerschaftsrate recht hoch ist, sie liegt bei etwa 80 Prozent. Ab 45 sind die Chancen sehr schlecht, die oberste Altersgrenze ist der natürliche Wechsel der Frau. Ein Appell liegt mir daher besonders am Herzen: Paare sollten sich generell früher dazu entschließen, sich den Kinderwunsch zu erfüllen.
Werden Sie gemeinsam mit Ihrem ersten Retortenbaby Zlatan seinen Geburtstag feiern?
Seine Mutter ist gerade in Serbien und kommt erst im Oktober zurück, vielleicht feiern wir dann nach.