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"Zoellick hat furchtbar versagt"

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Asiens Einfluss in der Weltbank wächst mit dem designierten Chef Jim Yong Kim.


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Washington. Asiens Einfluss in den globalen Finanzinstitutionen wächst. US-Präsident Barack Obama hat einen Kandidaten für den Chefsessel der Weltbank nominiert, mit dem niemand gerechnet hatte: Erwartet wurde ein Polit-Altkader wie Außenministerin Hillary Clinton, Senator John Kerry oder Wirtschaftsberater Larry Summers. Weit gefehlt: Obama entschied sich für Jim Yong Kim, einen in Südkorea geborenen Arzt und Wissenschafter, der eine US-Eliteuniversität leitet und sich Meriten im Kampf gegen Krankheiten in der Dritten Welt gemacht hat.

Einen großen Fan hat Kim: US-Entwicklungsökonom Jeffrey Sachs, der als Kandidat von kleineren Ländern ins Spiel gebracht worden war, zog umgehend seine Kandidatur zurück: "Professor Sachs unterstützt Dr. Kim zu hundert Prozent und voller Enthusiasmus", sagte seine Sprecherin.

Traditionelles Machtgefüge

Trotz starker Gegenkandidaten wie der nigerianischen Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala oder ihrem kolumbianischen Ex-Kollegen Jose Antonio Ocampo gilt es als fix, dass Kim ab Juli 2012 Robert Zoellick an der Spitze der Weltbank ablöst. Zwar lief die Bewerbungsfrist am Freitagabend noch bis 23 Uhr (nach Redaktionsschluss) und die Entscheidung fällt erst am 21. April. Die USA haben aber mit den Europäern und Japan genügend Stimmen, um das Machtgefüge zu erhalten: ein Amerikaner als Chef der Weltbank, die sich der Armutsbekämpfung und Entwicklungshilfe widmet, eine Europäerin (Christine Lagarde) an der Spitze des Internationalen Währungsfonds.

Zoellick auf Karriere bedacht

Obamas Wahl ist geschickt: Er gibt nicht den US-Anspruch auf, sendet aber mit dem gebürtigen Koreaner ein Signal in Richtung der Schwellenländer. "Das ist eine Verbeugung vor Asien", kommentiert Robert Holzmann, lange Zeit Österreichs Spitzenvertreter in der Weltbank, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Und es ist ein Anzeichen, wohin sich das Schwergewicht ökonomisch und wissenschaftlich bewegt." Was sich schon mit der Bestellung des Chinesen Justin Lin Yifu als Chefökonom 2008 abgezeichnet hatte.

Dennoch glaubt Holzmann, dass es "gröberer Friktionen" bedarf, bevor ein Kandidat der Schwellenländer an die Reihe kommt. Der Steirer - er war Direktor für soziale Sicherheit der Weltbank und zwei Jahre lang sogar Vizepräsident - kennt Kim als renommierten Wissenschafter. Als Chef einer Eliteuniversität besitze er wohl auch Managementqualitäten. Allerdings verfüge Kim (anders als etwa Jeffrey Sachs) über keine Erfahrung in Entwicklungspolitik. "Er könnte als Leichtgewicht angesehen werden und es schwer haben, neue Akzente zu setzen."

Von Expolitikern im Chefsessel der Weltbank hält er wenig - und übt heftige Kritik an Zoellick, der seit 2007 Weltbank-Chef ist. "Ich sehe seine Rolle sehr kritisch. Er hat die Zeit bei der Weltbank verwendet, um sich für den nächsten Job in einer republikanischen Regierung fit zu machen." Zoellick sehe sich als künftiger Finanzminister, weshalb er vor allem , "keine Wellen schlagen" wollte. Dabei hätte es zu seinen Aufgaben gehört, die Vision, Strategie und die personellen Ressourcen der Weltbank zu entwickeln, sagt Holzmann: "In all diesen Dingen hat Zoellick furchtbar versagt."

Die Weltbank habe in den letzten 15 Jahren finanziell stark an Attraktivität für Mitarbeiter verloren. Dass Zoellick die Kreditvergabe in der Krise massiv ausgeweitet hat, sieht der Österreicher ebenfalls nicht restlos positiv. Wie sehr darunter die Qualität gelitten hat, werde sich in den nächsten Jahren zeigen.

"Ein neuer Weltbank-Präsident muss kontroversielles Denken einbringen und beherrschende Paradigmen in Frage stellen", plädiert Holzmann für eine Rolle als Denkfabrik, die mit innovativen Ideen "schockieren" solle. Das könne Fragen betreffen wie die Weiterentwicklung des Kapitalismus oder den nächsten Entwicklungssprung Chinas. Unter Zoellick und unter Vorgänger Wolfowitz sei diese Funktion verloren gegangen.

In der Praxis müsse ein Schwerpunkt auf "Governance" liegen: Wie trifft ein Land Entscheidungen, wie wird es verwaltet? "Da gab es Ansätze, sehr weit gekommen ist die Weltbank nicht." Freilich sei nicht alles schlecht: Zoellick habe mit dem Umweltfonds einen rascheren Technologietransfer in Entwicklungsländer erreicht.