![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Sympathie schlägt zunehmend in Misstrauen und Verärgerung um.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Islamabad. Als die junge Bildungsaktivistin Malala Yousafzai vor einem Jahr am 9. Oktober 2012 im Swat-Tal von zwei Taliban-Kämpfern angeschossen wurde, betete ganz Pakistan für das Leben des Mädchens. In Moscheen und Kirchen zündeten Kinder Kerzen für Malala an, Schulen feierten ihre Tapferkeit, Politiker überschlugen sich mit Solidaritätsadressen und Pakistans mächtiges Militär schickte seine besten Ärzte, um die damals 15-Jährige zu retten, die nach dem Anschlag auf ihren Schulbus schwer verletzt um ihr Leben kämpfte.
Ein Jahr und etliche hochkarätige Auszeichnungen später ist die Sympathie in Pakistan in Misstrauen und Verärgerung umgeschlagen. Während Malala sich mit Popstars wie Bono und Politikern wie Gordon Brown und Ban Ki-moon trifft und von der Queen zum Tee in den Buckingham-Palast eingeladen wird, wächst in ihrer Heimat die Kritik. "Malala Drama-zai", spotteten Kommentatoren, als Malala im Juli vor der UN-Vollversammlung in New York über Bildung und den Anschlag der Taliban auf sie sprach. Pakistans Politiker schwiegen. Einzig Pakistans politischer Newcomer Imran Khan gratulierte Malala zu ihrem großen Auftritt auf Twitter. Dass Malala im Westen über Nacht zur Ikone im Kampf gegen die Taliban wurde, weckt Misstrauen in einem Land, das sich immer mehr vom Westen abwendet. Sollte Malala am Freitag den Nobelfriedenspreis verliehen bekommen, dürfte das in Pakistan kaum Anlass zu überschwänglicher Freude sein.
Erneut Morddrohungen
"Sie streuen Salz in die Wunden der Muslime, indem sie Malala Yousufzai gegen ihre muslimischen Brüder ins Feld schicken", schimpfte Maulana Samiul Haq, Vorsitzender des Pakistan Defence Council, einer Schirmorganisation von religiösen und konservativen Parteien am Dienstag. Malala sei Teil einer Verschwörung westlicher Mächte gegen Pakistan, die das Mädchen hochjubelten, aber die vielen "wahren" Terroropfer und Drohnentoten in Pakistan ignorieren würden.
Und die Taliban, die Malala töten wollten, weil sie sich für den Schulbesuch von Mädchen starkmachte, haben erneut gedroht, die Aktivistin umzubringen. Sie sei weder "mutig", noch "tapfer", sagte ein Sprecher der Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP), die sich vor einem Jahr zum Anschlag auf Malala bekannt hatte. Malala sei eine Feindin des Islam und müsse daher getötet werden. Andere sehen in ihr eine Agentin der CIA oder glauben, dass ihre Familie, die inzwischen mit Malala im englischen Birmingham lebt, mit westlichen Geheimdiensten zusammenarbeitet. In einem Land, wo viele davon träumen, nach Kanada, Großbritannien und die USA auszuwandern, aber Visa nur schwer und mit viel Geld zu bekommen sind, erweckt die Geschichte von Malala Neid.
Dazu gesellt sich die allgemeine Verärgerung in Pakistan über die Drohnenangriffe der Amerikaner gegen Verstecke von Terroristen in Pakistans Grenzregion zu Afghanistan, bei denen auch immer wieder Zivilisten ums Leben kommen. Mit den vielen Ehrungen für Malala wolle der Westen nur von dem von der CIA geleiteten Programm zur Terrorbekämpfung ablenken, behaupten viele.
Im Swat-Tal, der Heimat von Malala, bangen zudem die Menschen weiter um ihre Sicherheit. Die idyllische Gegend, nur um die 150 Kilometer von der Hauptstadt Islamabad entfernt, war einst ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen, Wanderer und Hochzeitsreisende. Doch dies änderte sich 2007 jäh, als die Taliban die Macht im Tal übernahmen, Mädchenschulen schlossen und ein grausames islamisches Regime einführten. Auch nach der Rückeroberung des Tales durch das pakistanische Militär vor vier Jahren herrscht ein unbehaglicher Frieden. Die Menschen sind weiterhin auf der Hut. Nur unweit des Swat-Tales haben die Taliban, die die Gegend tyrannisierten und Malala anschossen, im vergangenen Monat einen hochrangigen Armee-General umgebracht. Kein Wunder, dass der Militärarzt, der Malala behandelte, sich nicht von der britischen BBC für eine Dokumentation über das Leben des Mädchens filmen lassen wollte. Malala ist inzwischen weit weg in Sicherheit, aber die Angst im Swat-Tal ist zurückgeblieben.