Der Neo-Populismus, wie er in der "Occupy Wall Street"-Bewegung zum Ausdruck kommt, wird sicher auch in Europa noch zunehmen.
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Interessant an "Occupy Wall Street" ist, dass diese Bewegung anderen Gruppierungen, die fast überall auf der Welt für Veränderungen protestieren, sehr ähnlich ist. Da fragt man sich unwillkürlich, ob wir es nicht, als verzögerte Reaktion auf die Finanzkrise 2008, mit einer Art globalem Frühling der Unzufriedenheit zu tun haben. Aber die Umstände sind verschieden: Die Aktivisten von Manhattan haben eine andere Agenda als die Demonstrierenden vom ägyptischen Tahrir-Platz oder die Randalierer in Großbritannien und Griechenland.
Selten haben diese Bewegungen Führer oder klare Ideologien. Einordnen lassen sie sich also nur schwer. Manches haben sie aber doch gemeinsam: die Ablehnung der etablierten politischen Eliten, den Zorn über wirtschaftliche Verflechtungen und politische Korruption, die Überzeugung, dass die Globalisierung mehr den Reichen nützt als den Massen, und die Vernetzung und Stärkung durch Facebook und andere sozialen Medien.
Bemerkenswert an dieser Art von Neo-Populismus ist auch das Überschreiten der traditionellen politischen Abgrenzungen. Die Tea Party mag konservativ auftreten, entstanden ist sie aber als Protest gegen die Führungsschicht in Washington und an der Wall Street, die sich, so der Vorwurf, auf Kosten der einfachen Menschen bereichert.
Die potenteste Bewegung von allen ist der arabische Frühling. Er fegt eine Regierung nach der anderen weg, wie in Tunesien, in Ägypten und Libyen. Die Proteste in Europa tragen dasselbe Zeichen von Massenempörung. Sogar in boomenden Nationen wie China und Indien kommt es aufgrund gestiegener Erwartungen zu Unruhen. Laut Angaben des chinesischen Ministeriums für öffentliche Sicherheit kam es 2005 zu 87.000 derartigen Zwischenfällen. Das sind 238 Proteste pro Tag!
Nach gleichen Themen in solch unterschiedlichen Ländern zu suchen, ist wohl übertrieben, aber gemeinsam ist diesen Bewegungen der Unwille gegenüber der jeweiligen Führung, der es nicht gelingt, im wirtschaftlichen Umbruch für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. In den USA stimmt das ganz besonders: Tea Party und Occupy Wall Street sind wütend auf die Finanzelite, die, in die Rezession geschlittert, von der Einzelinteressen verschriebenen Führung in Washington mit viel Geld freigekauft wurde.
In Europa wird der Neo-Populismus sicher noch zunehmen, die einzelnen Staaten haben mit schmerzhaften Anpassungen zu kämpfen. Die Bevölkerung schrumpft in den meisten Teilen Europas, also wird es weniger junge Arbeitskräfte geben, die für die Pensionen aufkommen. Um Wettbewerbsfähigkeit und Zahlungsfähigkeit wiederzugewinnen, werden Löhne und Lebensqualität in vielen europäischen Ländern schrumpfen müssen. Der muslimische Bevölkerungsanteil hingegen könnte sich in Westeuropa laut einer Untersuchung des National Intelligence Council bis 2025 auf 25 bis 30 Millionen erhöhen (von bisher 15 bis 18 Millionen) - und für weitere Spannungen sorgen.
Viel dieses Zorns ist gerechtfertigt, denkt man an all die Gier und Torheit der letzten Jahre. Was mich aber beunruhigt, sind die Parallelen zu den 1930er Jahren.
Übersetzung: Redaktion