Seit Hunderten von Jahren träumen Menschen vom perfekten Sehen. Generationen von Glasmachern und Optikern haben immer bessere Sehhilfen erfunden. Doch erst seit zwölf Jahren wagen sich Wissenschaftler an eine Korrektur des Auges selbst. Modernste Operationsverfahren, bei denen die Unebenheiten der Hornhaut des Auges mit einem Laser abgetragen werden, machten diesen Fortschritt möglich. Diese Hornhautunebenheiten entstammen dem häufig unregelmäßigen Wachstum des Gewebes und bewirken Fehler bei der Lichtbrechung im Auge.
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Aber auch die Ergebnisse dieser modernen Lasik-Operationen blieben unvollkommen. Der Grund: Bis jetzt hat man sich beim Abhobeln der Hornhaut nur nach einem einzigen Messwert gerichtet, der sogenannten Dioptrien. Sie ist der Mittelwert des Brechungsindex eines Auges und wird bei der Brillenglasbestimmung gemessen. Das Auge weist aber an vielen Stellen verschiedene Fehler auf. Diese feinen Unterschiede konnte man bisher weder messen, noch operativ korrigieren.
Ein "Maßanzug" mit Namen Aberrometer
Nun haben Wissenschaftler mit Hilfe der Weltraumtechnik ein Diagnosegerät entwickelt, mit dem auch die komplexen Abbildungsfehler des Auges genau bestimmt werden können - den Aberrometer. Er kann im Gegensatz zu den alten Diagnostikgeräten nicht nur einen Wert für die Brechkraft des Auges, sondern 200 oder mehr Werte bestimmen.
Die Technik ist verblüffend einfach und wird in München, Mannheim, Heidelberg, Zürich und Potsdam schon seit etwa drei Jahren erfolgreich angewendet: Infrarotes Laserlicht wird an den 200 Messpunkten durch Hornhaut und Linse auf die Netzhaut (Retina) geworfen. Diese spiegelt das eingeworfene Licht wieder aus dem Auge des Patienten heraus. Die Ärzte können so an dem Punktmuster auf der Netzhaut genau sehen, wie das Licht an jedem der 200 Punkte vom Auge des Patienten gebrochen wird. Es entsteht ein für jedes Auge individuell zugeschnittenes Profil: Der Fingerabdruck des Auges.
"Ich vergleiche den Unterschied von der alten Brillenglasbestimmung zur neuentwickelten Diagnose mit dem Aberrometer immer mit einen Anzug von der Stange zu einem Maßanzug", sagt Professor Michael C. Knorz vom Universitätsklinikum Mannheim. Knorz operiert schon einige Jahre nach dem neuen Verfahren und weiß: "Dass die Brillenglasbestimmung zwar meist recht gut passt, aber eben nicht jede Feinheit besonders an den Randbereichen des Auges ausgleichen kann." Und das kann das Aberrometer.
Durch die Landkarte der Fehlsichtigkeiten des gesamten Auges ist es möglich, nicht nur Weit- und Kurzsichtigkeit sondern auch andere Abbildungsfehler des Auges wie die optische Asymmetrie, bei der sich die Linse nicht genau im Mittelpunkt des Auges befindet, festzustellen. "Besonders verbessert werden kann das Dämmerungssehen, da sich mit der Vergrößerung der Pupille natürlich vor allem die Brechungsfehler in den Randbereichen des Auges negativ bemerkbar machen," erklärt Professor Theo Seiler vom Universitäts-Spital in Zürich.
200 Prozent besseres Sehen
Nach dem Messen der Brechungsindizes füttert Seiler seinen Operationslaser mit den gewonnenen Daten. Für den Eingriff muss das Auge des Patienten millimetergenau fixiert werden. Dann schleifen die hochfrequenten Hightech-Geräte unter lokaler Betäubung die Hornhaut automatisch nach den individuellen Daten ab. Bei einer noch laufenden klinischen Studie fanden Seiler und seine Mitarbeiter heraus, dass alle Patienten nach der neuen, aberrometergesteuerten Operation besser sehen konnten als vorher mit ihrer Brille. Doch das war nicht alles: "Das zweite Ergebnis war, dass 16 Prozent unserer Patienten bis zu 200 Prozent besser sehen konnten, also echte Adleraugen entwickelt haben", so Seiler.
Kritiker meinen allerdings, dass die heutigen Laser noch nicht genau genug sind und Langzeitstudien fehlen. Zudem könnten die Veränderungen des Sehens im Alter die Erfolge mit den Jahren wieder rückgängig machen. "Für die sogenannte Alterssichtigkeit ist dieses Verfahren sicherlich ungeeignet", gibt auch Seiler zu. Im Alter wird die Linse des Auges immer unelastischer und kann sich deshalb nicht mehr so leicht auf nahe Entfernungen einstellen. Und dieses Phänomen kann natürlich auch von einer Lasik-Operation nicht behoben werden.
Operationsergebnisse
schon vor dem Eingriff
Trotz aller Bedenken wollen einige europäische Physiker noch weiter hinaus. Sie experimentieren an einem Verfahren, das die Ergebnisse einer Operation schon vor dem Eingriff simulieren kann. So wüsste der Patient genau, wie er nach der Korrektur sehen würde. Das könnte seine Entscheidung erleichtern.
Dafür hat der Heidelberger Professor für Physik Josef Bille einen Spiegel entwickelt, der sich mit 50.000 verstellbaren kleinen Spiegelchen 60 mal in der Sekunde auf die Augen des Patienten einstellt. Dabei reagiert er auch auf unterschiedliche Pupillengrößen im Hellen und Dunkeln. Dieses Verfahren nennt man adaptive Optik: Lichtstrahlen werden über einen Spiegel ins Auge geleitet und von dort zu einem Detektor reflektiert. Aus der Differenz des ausgesandten und reflektierten Lichts errechnet der Computer die individuelle Landkarte der Fehlsichtigkeiten. Vorteil der Simulation: Es lassen sich vor einer Operation Fehler erkennen, die zwischen Auge und Gehirn entstehen. Wissenschaftler nennen das "Neuronales Sehen". Durch die dynamische Korrektur über die kleinen Spiegel soll somit ein optimales Bild jedes Patienten nicht nur im Auge sondern bei seiner Wahrnehmung im Gehirn erzeugt werden.
Bille ist sich sicher, dass er in Zukunft vor allem den Berufsgruppen, die in ihrem Job mit dem Sehen zu tun haben entscheidende Verbesserungen liefern kann: "Besonders Piloten, Berufskraftfahrer und auch den normalen Autofahrern hoffen wir, in nächster Zeit entscheidende Hilfe bieten zu können", sagt Bille.
Vor allem beim Sehen unter schlechten Sichtbedingungen. "Wenn also ein Pilot im Nebel oder bei Dunkelheit landen muss, dann können wir tatsächlich die Sehschärfe, das Auflösungsvermögen des Auges um bis zu einem Faktor zehn verbessern. Er kann zehn mal so gut schauen. Das kann besonders in Gefahrensituationen der entscheidende Unterschied zwischen Tod und Leben sein." Selbstverständlich ist auch das Militär an der Technik von Bille interessiert. Einzelkämpfer in schwer überschaubarem Gelände und bei Nacht etwa hätten dadurch einen wichtigen Vorteil.
Spiegel ermöglicht Schärfe bei weiten Entfernungen
Eigentlich kommt die adaptive Optik aus der Weltraumforschung. In den 80iger Jahren suchten Astrophysiker und das amerikanische Militär nach Möglichkeiten, bei ihren Teleskopen die schlechte Sicht durch Luftturbulenzen in der Atmosphäre zu verbessern.
Dazu bauten sie sogenannte Bildanalysatoren in ihre Teleskope. Die Bildanalysatoren splitten das Licht der Sterne in Teilbilder auf. Wie beim Verfahren von Bille stellt sich auch hier ein kleiner Spiegel im Strahlengang des Teleskops auf die gemessenen Differenzen ein und korrigiert die Abweichungen. So können auch sehr weit entfernte Sterne und Galaxien wesentlich schärfer beobachtet werden.