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Zu blöd für eine Lehre?

Von Christian Rösner

Politik
Zu wenig Lehrstellensuchende verfügen über technisches Verständnis. Foto: bb

Jank zum Wiener Lehrstellenmarkt: Zahlen sind stabil. | Betriebe finden jedoch kaum noch geeignete Lehrlinge. | "Probleme schon beim Lesen und Schreiben." | Wien. "Es brennt der Hut", erklärte Wiens Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank am Donnerstag in Wien. Denn laut aktuell erhobenen Zahlen haben nur 19 Prozent der Lehrstellensuchenden kein Problem mit Zahlen und dem Rechnen. Nur 41 Prozent weisen physikalisches und technisches Verständnis auf und nur bei 60 Prozent ist die Sprachfähigkeit ausreichend.


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Das führe dazu, dass 70 Prozent der ausbildenden Betriebe darüber klagen, keine geeigneten Lehrlinge zu finden. "Da geht es heute nicht nur um echtes Fachwissen, sondern die Probleme beginnen oft schon beim Lesen und Schreiben", meint Jank. Und diese Defizite sind ihrer Meinung nach bereits in der Schule entstanden.

Die erhobenen Zahlen stammen aus der Berufsinformationsstelle der Wirtschaftskammer - kurz "BiWi" genannt. Dennoch sind die Lehrlingszahlen in Wien trotz Krise an sich stabil geblieben. Derzeit seien knapp 18.000 Lehrlinge in Ausbildung; wobei sich im Vergleich zum Vorjahr bei den Lehranfängern ein Minus von 4,3 Prozent ergibt. Das AMS meldet in Wien derzeit 470 offene Lehrstellen, davon die meisten im Handel, gefolgt vom Tourismus.

Nicht zuletzt aus diesem Grund dürfe die Lehre nicht das letzte Glied in der Ausbildungskette bilden, betont Jank. Kinder könnten heute viermal schneller Bilder wahrnehmen als ihre Generation. "Die Aufnahmefähigkeit ist also eine andere geworden - aber das Wissen wird noch auf die selbe Weise vermittelt wie damals", kritisiert die Wirtschaftskammer-Chefin.

Sie fordert daher im traditionellen Schulsystem eine bessere Förderung individueller Begabungen, mehr Wirtschaftsbezug in der Schulausbildung und die Förderung von Unternehmergeist mit verpflichtenden Betriebspraktika für alle Lehrer in Ausbildung sowie Bildungs- und Berufsorientierung als eigenes Fach. Und Jank will vor allem Mindeststandards für die Bildung festgelegt wissen. So vermisst sie etwa eine Art Qualitätskontrolle für Lehrer - vergleichbar mit Arbeitsinspektoraten in Betrieben. Ebendort sei diese Einrichtung ein Garant für Erfolg. "Wie soll sonst eine Motivation in Sachen Qualität aufgebaut werden?", so Jank.

"Hoher Lehrlingsbedarf"

Generell würden in der Schule die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten, das Verständnis von Arbeitsabläufen und das grundlegende Interesse am Lehrberuf nur ungenügend vermittelt.

Dabei prophezeit Jank für die kommenden Jahre einen sehr hohen Bedarf an Lehrlingen. Deswegen bietet die Wirtschaftskammer auf eigene Faust bereits seit Oktober unter den Namen "Tools for Life" eigene Fortbildungskurse für Lehrlinge an. In Form eines Sozialcoachings werden hier Werkzeuge zur Kommunikation, Eigen- und Fremdmotivation und Mentalkraft vermittelt. Die Kurse laufen über drei Monate und kosten 270 Euro pro Teilnehmer, die den Betrieben zu 75 Prozent refundiert werden.

Viel verspricht sich Jank auch von der Lehre mit Matura - mittlerweile würden 1330 Lehrlinge dieses Angebot bereits in Anspruch nehmen, so Jank.