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Zu den Waffen

Von WZ-Korespondentin Birgit Svensson

Politik

US-Präsident Obama fordert in Hannover von den Europäern mehr militärisches Engagement in Syrien. | Die Friedensgespräche sind indessen so gut wie gescheitert - der Stellvertreterkrieg geht in die nächste Runde.


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Hannover. Nach einer Abschiedsvorstellung sah es nicht aus, was Barack Obama in Hannover gab. Eher nach einer Motivationstour für eine neue Haltung im Syrien-Konflikt. Im Schloss Herrenhausen forderte der amerikanische Präsident die Regierungschefs aus Deutschland, England, Italien und Frankreich auf, sich mehr am Kampf gegen den Islamischen Staat zu beteiligen und ihre Militärausgaben zu erhöhen.

Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen und mit "gutem Beispiel" voranzugehen, kündigte der Herr im Weißen Haus an, weitere 250 Soldaten nach Syrien schicken zu wollen. Sie könnten direkt in Kämpfe verwickelt werden, haben laut Obama aber keinen direkten Kampfauftrag. "Seht her", sollte das wohl heißen, "wir stellen sogar unsere Stiefel auf syrischen Boden - folgt mir nach". Denn das bisherige militärische Engagement der Anti-Terror-Allianz zur Lösung des syrischen Bürgerkrieges reicht aus amerikanischer Sicht nicht mehr aus. Bei den Friedensverhandlungen in Genf gibt es leere Stühle, nachdem die größte Oppositionsgruppe HNC die Gespräche abgebrochen hat. Der Waffenstillstand ist am Ende.

Rebellen haben sich radikalisiert

Das Ruhen der Waffen aber ist die Basis der Gespräche und war von Anfang an gefährdet. Aber immerhin ließ das Blutvergießen in den vergangenen Wochen nach und die Parteien kamen an den Verhandlungstisch. Das allein kann aber kein Selbstzweck sein.

Gleichwohl gehört zu solchen Gesprächen auch Theaterdonner: Der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura nannte die Abreise der Opposition aus Genf ein "diplomatisches Schauspiel". Schön wäre es, wenn nicht mehr dahinter stecken würde. Denn die Vertreter von rund vierzig Oppositionsgruppen wollen nicht nur ihren Zorn zeigen angesichts der erfolglosen Gesprächsrunden, die nicht einen Millimeter Bewegung gebracht haben. Es wird für sie auch zunehmend schwierig, die unterschiedlichen Gruppierungen zusammenzuhalten, die sie vertreten. Denn Präsident Bashar al-Assad trieb seine Offensive zur Einnahme von Aleppo und Latakia mit Hilfe der Russen weiter voran, die zeigte, dass er nach wie vor auf einen militärischen Sieg setzt und nicht auf eine Verhandlungslösung.

Obama will nun im Gegenzug mit seinen zusätzlichen Soldaten die gemäßigten Rebellen unterstützen. Diese Entscheidung kommt reichlich spät. Längst hat sich die Szene radikalisiert, sind Al-Qaida-Ableger Al Nusra und der IS tonangebend. Die Freie Syrische Armee und die ihr angegliederten Gruppen sind mittlerweile so schwach, dass 250 so genannte Militärexperten rein gar nichts ausrichten können. Zwei der größten Milizen haben ohnehin schon wieder die Rückkehr zu den Gewehren ausgerufen, angesichts des Waffenstillstandes, der keiner mehr ist. Die Zeichen stehen erneut auf Krieg. Chefdiplomat de Mistura will trotzdem weiter machen, aber ihm fehlen dafür die Partner.

USA liefern Flugabwehrraketen an Oppositionskämpfer

Am Montag hat er sich mit Vertretern des HNC außerhalb des UN-Gebäudes in Genf getroffen. "Wir werden unsere Diskussionen mit allen Seiten fortsetzen", sagte der Italo-Schwede am Wochenende. Die führenden Vertreter des Bündnisses sind zwar abgereist, jedoch sollen bestimmte Experten des HNC weiterhin in Genf bleiben.

Doch die Chancen für eine Verhandlungslösung stehen schlecht. Das Auftreten der Abgesandten des syrischen Präsidentenlagers sei derart arrogant, berichten Beobachter in Genf, dass an eine konstruktive Lösung nicht zu denken sei. Über die Zukunft Assads ließe sich nicht reden, die Parlamentswahlen seien demokratisch gewesen und eine Regierung der "Nationalen Einheit" sei eine Beleidigung, so die Haltung der Delegation aus Damaskus.

Als "Moment der Wahrheit" hatte der mittlerweile dritte UN-Sondergesandte die zweite Gesprächsrunde in Genf Anfang März bezeichnet. Als Russland demonstrativ den Großteil seiner Truppen aus Syrien abzog, schien tatsächlich eine Lösung näher zu rücken. Wenige Wochen später aber griffen russische Truppen erneut in das militärische Geschehen in Syrien ein. Sollte diese Gesprächsrunde abermals scheitern, müsste er "den Auftrag zu Bemühungen um Frieden für Syrien an die Mächte mit Einfluss zurückgeben, vor allem an Russland, die USA und den UN-Sicherheitsrat", so de Mistura damals. Dann bliebe nur noch Plan B - der totale Krieg.

Diesen Ausspruch hat der unermüdliche Verhandlungsführer zwar dementiert. Ein noch schlimmerer Krieg rückt jedoch tatsächlich näher. Bilder von Oppositionskämpfern mit Flugabwehrraketen zeigen, dass die USA jetzt bereit sind, Chancengleichheit in der Bewaffnung herzustellen. Damit wäre der Weg zu weiterem Blutvergießen vorgezeichnet. Das Land steuert noch tiefer in den Abgrund, weitere Hunderttausende müssten die Flucht antreten. Die Schuld liegt bei Assad und seinen Unterstützern, der Schlüssel zur Lösung in Moskau. Wenn jetzt die dritte Runde der Friedensgespräche gescheitert sein sollte, bleibt für Syrien eigentlich keine Hoffnung mehr.