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Zu eng, zu starr

Von Walter Hämmerle

Politik
Hartes Brot: Politik in Städten des 21. Jahrhunderts mit den Mitteln des 20. Jahrhunderts.
© Georges Schneider

In der ÖVP wird der Ruf nach einer Strukturreform laut, vor allem an den Bünden wird gerüttelt.


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Wien. Auflösen und neu gründen: So lautete einst Erhard Buseks Ratschlag an "seine" ÖVP, aber da war er schon Ex-Obmann. Solche Altersradikalität ist aktiven ÖVP-Funktionären meist fremd, aber Buseks Kritik trifft einen Punkt: Die Strukturen der Volkspartei begünstigen in Krisenzeiten die internen Fliehkräfte. Michael Spindelegger war nur das jüngste Opfer einer langen Reihe.

Unmittelbar nach dessen Rücktritt - und noch bevor Reinhold Mitterlehner gekürt wurde -, machte der Ruf nach grundlegenden Strukturreformen die Runde. Wie müsste, wie könnte eine solche organisatorische Neuaufstellung ausschauen? Die "Wiener Zeitung" sprach darüber mit ehemaligen und aktiven Funktionären und Aktivisten, die den Apparat von innen bestens kennen.

Während die Existenz starker Landesparteien nicht infrage steht, wird die Unterteilung in sechs Teilorganisationen - Arbeitnehmer, Wirtschaft, Bauern, Frauen, Junge und Senioren - von den Insidern als organisatorischer Hemmschuh gewertet. Diese funktioniere für den ländlichen Raum, für die politische Arbeit in den Städten, allen voran Wien, sei sie aber kontraproduktiv.

Ein Wirtschaftsbündler beschreibt es so: "Die bündischen Strukturen in den Bezirken und Städten sind nur noch reiner Selbstzweck für die Funktionäre, deshalb sollten sie hier ersatzlos gestrichen werden." Ein anderer schwarzer Querdenker plädiert überhaupt dafür, die Bünde abzuschaffen. Statt diesen sollen soziale Milieus als Zielgruppen angesprochen werden. Zielgruppenarbeit lasse sich heute nicht mehr über feste Strukturen leisten, da sich die Gesellschaft in der Wirtschafts- und Arbeitswelt, aber auch bei den individuellen Lebensentwürfen ständig verändere. Ein Lösungsvorschlag: ein "virtueller Bund", der zeitlich und inhaltlich begrenztes Engagement außerhalb der bestehenden Strukturen ermöglichen soll.

Das Problem all dieser Ideen: Die Bünde stellen rund 95 Prozent aller ÖVP-Mitglieder - und wer die Mitglieder hat, hat die Macht, politisch wie finanziell.

Trotz der Fundamentalkritik an den Bünden stößt die Idee der ÖVP als soziale Integrationspartei auf Zustimmung. Ein Gesprächspartner formuliert es so: "Das Konzept einer gesellschaftlich breit aufgestellten Integrationspartei ist relevanter denn je, einfach weil die Gesellschaft selbst immer heterogener wird." Allerdings würden die bestehenden Strukturen diese Breite nicht nur immer weniger abdecken, "die Partei hat sich zunehmend verengt", formuliert es ein anderer. Und noch ein Problem ergibt sich aus der zersplitterten Organisation: ein ineffizienter Ressourceneinsatz. "Ich würde als Bürgerin nicht freiwillig in ein bündisches Bezirkslokal gehen", erklärt eine langjährige gestandene Politikerin der ÖVP Wien unumwunden.

Kritik gibt es zudem an der Schwäche der Bundes-ÖVP - und damit verbunden auch des Parteiobmanns. Ein Ausweg wäre, die ausufernden Entscheidungsgremien drastisch zu verkleinern. Damit einher sollte die inhaltliche und personelle Stärkung der Parteizentrale gehen. Ein kleines Team rund um den Obmann sollte auf Zeit weitgehend freie Hand erhalten. Soloaktionen wahlkämpfender Teilorganisationen, wie sie derzeit etwa die Steuerdebatte mitprägen, kann allerdings wohl nur die Zusammenlegung möglichst aller Regional- und Kammerwahlen auf einen Super-Wahlsonntag verhindern.

Ein weiteres Problem ist hausgemacht: die Verwischung von Entscheidungsprozessen und -orten. "Der Ausgleich innerparteilicher Interessen erfolgt völlig intransparent hinter verschlossenen Türen. Es ist oft sogar schwierig, nur den Ort einer sachpolitischen Entscheidung herauszufinden", erzählt ein gut vernetzter Interessenvertreter über die internen Kommunikationsdefizite, die auch vor dem Parlamentsklub nicht Halt machten. Die Partei habe deshalb zuallererst ein handwerkliches Problem.

Optimistisch stimmt ihn, dass direkt vor der Haustür vorexerziert werde, wie es anders gehen könnte: Angela Merkels CDU zeige, dass eine bürgerliche Integrationspartei mit den richtigen Personen, Themen und Zugängen mehrheitsfähig sein könne.

Gelegenheit zur Erneuerung gibt es: Für heute, Donnerstag, ist der interne Auftakt zum nächsten, noch von Spindelegger initiierten Reformanlauf unter dem Schlagwort "Evolution Volkspartei" angesetzt, am 4. September geht der öffentliche Startschuss über die Bühne.