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Zu heißes Pflaster für den Werberat?

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Mehr als die Hälfte der Beschwerden zu FPÖ-"Wiener Blut". | Heuer wurden vier Kampagnen gestoppt. | Wien. Uneinigkeit herrscht im Werberat über den Plan, dass die Selbstkontrollstelle nicht nur für Wirtschaftswerbung, sondern bald auch für Kampagnen von politischen Parteien zuständig sein soll. Von heuer bislang 571 beim Werberat eingegangenen Beschwerden kritisierten rund 300 die FPÖ-Kampagne "Mehr Mut für unser Wiener Blut" in der Wien-Wahl. Via Facebook hatten User zum Stopp der Kampagne aufgerufen.


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Im August war Werberat-Präsident Michael Straberger noch zuversichtlich, dass es vor den nächsten großen Wahlen eine Regelung für politische Sujets geben werde. "Das funktioniert aber nicht so schnell, wie wir es uns vorgestellt haben", sagt Werberat-Geschäftsführerin Andrea Stoidl. Derzeit werde im Vorstand diskutiert. Politische Werbung soll aber nicht wie kommerzielle Werbung abhandelt werden, für die ein Kampagnenstopp oder eine "Aufforderung zu sensiblerem Vorgehen" ausgesprochen werden kann.

Ist Werberat zu zahnlos?

Karl Javurek, Werberat-Mitglied und Geschäftsführer der Außenwerbefirma Gewista, zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" jedoch skeptisch, ob "es eine gute Idee ist, dass sich der Werberat auch um politische Werbung kümmert". Politische Werbung bewege sich im Bereich der Meinungsfreiheit, die so weit gehe, wie es Gesetze erlauben. Zudem gibt er zu bedenken, dass bei der Beurteilung von politischen Aussagen das eigene Weltbild mitspiele.

Beurteilt werden beanstandete Kampagnen vom rund 90-köpfigen Werberat-Entscheidungsgremium, das sich aus Vertretern von Medien, Agenturen, Auftraggebern sowie Anwälten, Medizinern und Psychologen zusammensetzt. Basis ist der Selbstbeschränkungskodex, also freiwillige Regeln der Werbewirtschaft, die unter anderem diskriminierende oder die Menschenwürde verletzende Werbung verbietet.

Bislang hat der Werberat in diesem Jahr 123 Entscheidungen getroffen. Vier Mal wurde ein Stopp gefordert, etwa für die TV-Kampagne des Wettanbieters Bet-at-home, in der ein Polizist, der einem Falschparker ein Strafmandat erteilte, mittels Kopfstoß zu Boden befördert wurde. Dies betrachtete die Jury als unzulässige Ästhetisierung von Gewalt.

Zum Stopp der Kampagne aufgefordert wurde auch die Genostar Rinderbesamung GmbH, die mit nackten Frauenbeinen und dem Slogan "Want Girls?" für gesexten Samen warb, der besonders viele weibliche Nachkommen bei Fleckvieh erzeugen soll. Es bestehe kein notwendiger inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Bewerbung von Zuchtviehmethoden und nackten Frauenbeinen, urteilte der Werberat. Zum Stopp wegen sexistischer Werbung wurden die Diskothek Empire in St. Martin und ein Sex-Telefondienst aufgefordert, die beide mit einer Frau bzw. zwei weiblichen Mündern warben, die an einer Banane lecken.

15 Mal forderte der Werberat zur Sensibilisierung auf, zum Beispiel bei der Hirter-Bier-Kampagne, bei der drei Frauen ihre nackten Oberkörper nur spärlich mit einer Hand bedecken und in der anderen Hand ein Bier halten. Rechtsmittel zur Durchsetzung hat der Werberat allerdings keine in der Hand, wodurch er bisweilen als zahnlos kritisiert wird. Stoidl setzt diesem Vorwurf entgegen, dass die Medienpartner des Selbstkontrollorgans (wie der ORF oder die Gewista) in den Geschäftsbedingungen verankert haben, dass vom Werberat gestoppte Kampagnen nicht veröffentlicht werden. "Die werbetreibenden Unternehmen sind außerdem immer mehr gesprächsbereit und ändern bei Kritik auch von sich aus Kampagnen", so Stoidl.