Zum Hauptinhalt springen

Zu klein für zwei Ex-Kanzler?

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Die Demokratie hat viele Vorteile - und den Nachteil, dass auch Ex-Kanzler eine sinnvolle Aufgabe brauchen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Was wird aus Wolfgang Schüssel? Diese Frage bereitet nicht nur Sozialdemokraten, die seltsam fixiert auf den schwarzen Ex-Kanzler zu sein scheinen, schlaflose Nächte. Auch in der ÖVP ist die Zukunft des Klubchefs ständiges Gesprächsthema hinter vorgehaltener Hand.

Seit kurzem wird Schüssel, sollte die ÖVP am 28. September Platz eins zurückerobern, Lust auf das Amt des Ersten Nationalratspräsidenten nachgesagt. Michael Spindelegger, derzeit Zweiter Präsident des Hohen Hauses, soll darob not amused sein. Angeblich zählen Wissenschaftsminister Johannes Hahn und Sportstaatssekretär Reinhold Lopatka zu den Fans einer solchen Rochade.

Und jetzt darf natürlich über die Hintergedanken gerätselt werden: Soll Schüssel von der strategischen Schaltstelle des Klubs auf den ehrenvollen, aber lediglich repräsentativen Sessel des zweithöchsten Amts im Staate weggelobt werden? Strebt der schnörkellose Machtpragmatiker mit Umsetzungstrieb eine solche Funktion überhaupt an?

Bisher war Schüssel vor allem als Kandidat für internationale, insbesondere europäische Aufgaben gehandelt worden. Tatsächlich teilt er die Leidenschaft für Außenpolitik mit seinem Nachfolger im Kanzleramt, Alfred Gusenbauer. Diese Konstellation könnte demnächst zu einer bemerkenswerten Konkurrenzsituation führen, wenn zwei Ex-Kanzler um die für Österreicher nicht gerade üppig sprießenden Top-Jobs auf EU-Ebene rittern. Und wer sagt, dass davon nicht auch das Außenministerium betroffen sein könnte?

Gut möglich, dass dieses Land zu klein für zwei Ex-Kanzler mit politischen Ambitionen ist.

*

Wenn sich in den USA Demokraten und Republikaner derzeit wieder für ihre großen Partei-Conventions rüsten, dann pilgern Parteimanager und Politikberater aus aller Herren Länder über den großen Teich, gilt es doch, die neuesten Tricks und Techniken in Sachen Politmarketing und Wählerstimmenfang zu studieren.

Dieses Jahr müssen die beiden Wahlkämpfer Barack Obama und John McCain auf prominenten Besuch aus Österreich verzichten, obwohl zumindest SPÖ und ÖVP einen Atlantikflug dieser Tage fix eingeplant hatten. Wilhelm Molterers "Es reicht" ließ diese Bildungsreise platzen. Vielleicht ergibt sich ja noch nach dem 28. September ein Billigflug, wer weiß schon, wann die nächsten Wahlen kommen . . .

*

Mit Ewald Stadler will Jörg Haider im Wahlkampf blaue Stimmen ins Lager der Orangen locken. Bei der FPÖ gibt man diesem Unterfangen naturgemäß keine Chancen: Stadler habe mit diesem Polit-Salto jegliche Glaubwürdigkeit im freiheitlichen Lager verloren, heißt es hier.

Die fast schon rituellen Beteuerungen von SPÖ und ÖVP, nach den Wahlen keine Koalition mit der Strache-Partei eingehen zu wollen, nimmt man in der FPÖ übrigens nicht allzu ernst. Angesichts eines in Umfragen prophezeiten FPÖ-Wahlergebnisses von plus/minus 20 Prozent und der allerorten spürbaren Abneigung gegenüber einer Neuauflage der großen Koalition, sieht man bei den Blauen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung alles andere als im Schwinden.

Lediglich die in den letzten zwei Jahren vor allem unter der Schirmherrschaft von SPÖ-Klubchef Josef Cap ausgerufene rot-blaue Kuschel-Ära scheint unter Werner Faymann vorerst vorbei. In der ÖVP verfolgt man diese Entwicklung mit gut verborgener Erleichterung. Tatsächlich war das schwarz-blaue Verhältnis nach der unverhohlenen Parteinahme der ÖVP für das BZÖ im freiheitlichen Scheidungskrieg auf einem Tiefpunkt angelangt. Der Preis, den die ÖVP dafür bezahlen musste, war hoch: Machtwechsel im ORF, Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu Eurofightern, Banken und Innenministerium - alles mit den Stimmen der FPÖ.

Alle Beiträge dieser Rubrik unter:

www.wienerzeitung.at/

hauptstadtszene

hauptstadtszene@wienerzeitung.at