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Zu schwach für Saakaschwili?

Von WZ-Korrespondent Christian Weisflog

Politik

Präsident: Schuld sind Arbeitslose, Russen, Korruption. | Protest mit Zelten und Käfigen. | Moskau/Tiflis. Die georgische Opposition will ihre Demonstrationen gegen Präsident Michail Saakaschwili auf das ganze Land ausweiten. Doch selbst in der Hauptstadt vermag sie immer weniger Menschen zu mobilisieren.


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Saakaschwili hatte im vergangenen August die Nerven und daraufhin den angezettelten Krieg gegen Russland verloren. Die Opposition war sich deshalb sicher, dass Saakaschwili diesen Frühling nicht überleben würde. Immer mehr ehemalige Mitstreiter wurden im Laufe des Winters zu Gegnern des Staatschefs, darunter etwa die frühere Parlamentssprecherin Nino Burdschanadse oder der georgische UNO-Botschafter Irakli Alasanijan.

"Verzieh dich", riefen 60.000 Georgier am vergangenen Donnerstag vor dem Parlament ihrem Präsidenten zu. Mit stetig anschwellenden Dauerprotesten wollte das aus zwölf Parteien bestehende Oppositionsbündnis Saakaschwili zum Rücktritt zwingen. Doch am Freitag meldete die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass nur noch 20.000 Demonstranten, am Samstag waren es noch weniger.

Daraufhin kündigte die Opposition für den Sonntag eine Pause an, um am Montag mit frischen Kräften "eine neue Welle" zu starten. Nachdem aber unbekannte junge Männer Samstagnachts das Pressezelt der Regimekritiker vor dem Parlament verwüstet hatten, versuchte die Opposition ihre Anhänger am Sonntag doch noch zu mobilisieren. Aber lediglich rund 1000 Personen folgten dem Aufruf.

Opposition zerstritten

Derweil ignorierte Saakaschwili am Freitag das Ultimatum seiner Gegner. Statt seinen Rücktritt bot er den Protestanten einen Dialog an. Der westlichen Öffentlichkeit präsentiert sich der Präsident indessen wie gehabt als gestrenger Reformer und demokratischer Vorkämpfer gegen das imperiale Russland. Die Opposition werde mehrheitlich von russischen Oligarchen finanziert, sagte der Präsident dem US-Nachrichtenmagazin "Newsweek". Bei den meisten handle es sich um Arbeitslose. "Wir haben 250.000 Leute als Resultat unserer Reformen entlassen, ein großer Teil davon konnte sich in der neuen Wirtschaft nicht zurechtfinden", betonte Saakaschwili und fügte hinzu: "Im Kampf gegen Korruption und Kriminalität haben wir Tausende ins Gefängnis gesteckt. Alle ihre Verwandten fordern nun meinen Rücktritt."

Allerdings befinden sich unter den Oppositionsführern zahlreiche Figuren, die den liberalen Reformkurs bis vor kurzem mitgetragen hatten. So zum Beispiel Nino Burdschanadse, die auch nach der gewaltsamen Auflösung der Massenproteste im November 2007 zu Saakaschwili hielt. Dafür wurde die Professorin für Internationales Recht am Donnerstag von einem Teil der Demonstranten ausgepfiffen, als sie ans Mikrophon trat. Der Vorfall zeigte, wie gespalten die Opposition in ihrem Inneren ist.

Der gemäßigte Flügel um Irakli Alasanijan ist durchaus bereit zu einem Dialog mit Präsident Saakaschwili. Er könnte sich auch einen Kompromiss in Form vorgezogener Parlamentswahlen vorstellen. Burdschanadse besteht vorerst hingegen auf Saakaschwilis sofortigem Rücktritt und anschließenden Präsidentschaftswahlen. Derweil verkündete der ehemalige Premierminister Surab Nogaideli am Sonntag ohne Begründung, er und seine Partei würden nicht mehr an den Protesten teilnehmen.

Gegen Polizeistaat

Diese Unentschlossenheit der Opposition scheint auch die georgische Bevölkerung zu spüren und sie lässt sich daher nur schwer mobilisieren. Der verlorene Krieg im August hat Saakaschwilis Rating zwar auf 20 bis 25 Prozent gedrückt. Doch damit liegt er immer noch weit vor allen Oppositionsführern.

Trotzdem wollen Saakaschwilis Gegner noch nicht aufgeben. Vor der Präsidentenresidenz soll rund um die Uhr demonstriert werden. Die täglichen Proteste vor dem Parlament sollen ebenfalls weitergeführt werden. Der Oppositionsführer Lewan Gatschetschiladse hat damit begonnen, in ganz Tiflis Käfige als Symbole für den "georgischen Polizeistaat" errichten zu lassen. Sein Bruder Georgij, ein bekannter Sänger, harrt seit drei Monaten in einer solch improvisierten Zelle aus. Die Reality-Show wird direkt vom Oppositionsfernsehen "Maestro" übertragen. Georgij will in der Kammer sitzen bleiben bis zu einem Machtwechsel. Im für ihn schlechtesten Fall also bis in vier Jahren, wenn Saakaschwilis zweite Amtszeit endet.