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Liederbuch-Affäre: Gegenüberstellung von Gridling und Goldgruber soll kommen.
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Wien. Peter Gridling nimmt sich wahrlich kein Blatt vor den Mund. Der seit 22. Mai wieder im Amt befindliche Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wurde von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt – die Oberstaatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen aber Ende vergangener Woche ein.
Dementsprechend sicher und selbstbewusst tritt Gridling am Dienstag vor den Untersuchungsausschuss. Was er aussagt, gleicht einem Paukenschlag: Die Razzia im BVT am 28. Februar sei nicht aufgrund des anonymen "Konvoluts" zustande gekommen, sondern nur aufgrund der Aussagen der Belastungszeugen bei der WKStA – "und über deren Qualität muss man angesichts der Aussagen vor diesem Ausschuss nichts mehr sagen", findet der oberste Verfassungsschützer.
In seinem Eingangsstatement versucht Gridling, den Ruf des Verfassungsschutzes ins rechte Licht zu rücken. Das BVT werde als eine "Brandruine, auf deren Asche wir tanzen" dargestellt, das sei aber keineswegs so, sagt Gridling und zählt die rezenten Erfolge seiner Behörde auf, unter anderem die jüngsten Aktionen gegen Staatsverweigerer.
Gridling belastet mit seinen Aussagen vor allem Peter Goldgruber, Generalsekretär im Innenministerium – für die Oppositionsparteien eine zentrale Figur der Affäre.
"Pass auf, was du sagst"
"Pass auf, was du sagst, ich werde sonst gegen dich aussagen", habe ihm Goldgruber bei einem persönlichen Gespräch am 3. März, wenige Tage nach den Hausdurchsuchungen, offen gedroht. Gridling werde sich "lediglich als Fachreferent in der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit" wiederfinden, habe Goldgruber gesagt. Der Bundespräsident aber sei mit der Unterzeichnung seiner Wiederbestellung dem Innenministerium zuvor gekommen.
Seine Motivation im Gespräch mit Goldgruber sei gewesen, ihm eine offene Sicht der Vorgänge in seiner Behörde aus der Innenperspektive zu geben, an dieser aber sei Goldgruber nicht interessiert gewesen. Hat er die Aussagen Goldgrubers als Drohung wahrgenommen? "Wissen Sie, um etwas als Drohung zu sehen, muss sich jemand bedroht fühlen", antwortet Gridling selbstbewusst. "Vielleicht bin ich zu schwer für den Schleudersitz".
Über weite Strecken drehten sich die Befragungen um den Komplex der Liederbuchaffäre rund um den Spitzenkandidaten der niederösterreichischen FPÖ bei der Landtagswahl, Udo Landbauer.
Laut einem vom "Falter" veröffentlichten Schreiben wollte das Innenministerium, konkret Peter Goldgruber, vom BVT im Vorfeld des nationalen Sicherheitsausschusses am 30. Jänner wissen, wo in schlagenden, völkischen Burschenschaften verdeckte BVT-Ermittler eingesetzt wurden. Vor dem U-Ausschuss bestritt Goldgruber zuerst am Dienstag, diese Frage bei einer Besprechung am 29. Jänner an Gridling gerichtet zu haben, auf Nachfragen relativierte er dann, er könne es nicht ausschließen.
Mehrfach jedoch bestätigt Gridling am Mittwoch, dass Goldgruber die Infos zu den verdeckten Ermittlern haben wollte. Und zwar nicht nur, was deren Einsatzort angeht. "Hat Generalsekretär Goldgruber Sie expressis verbis nach Namen von verdeckten Ermittlern gefragt?", will Hans-Jörg Jenewein von der FPÖ wissen. "Das ist meine Erinnerung", bestätigt Gridling.
Gegenüberstellung soll kommen
Um den Widerspruch der Aussagen aufzuklären, soll es im U-Ausschuss – zum ersten Mal überhaupt – zu einer Gegenüberstellung von Gridling und Goldgruber kommen. Die Verfahrensordnung sehe das vor, so SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer nach Gridlings Befragung. Schon am Dienstag hatten Liste Pilz und Neos angekündigt, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien zu übermitteln, Peter Pilz will Anzeige gegen Goldgruber wegen Amtsmissbrauch einleiten. Beide Parteien sehen Goldgruber vor der Suspendierung.
Ob Anfragen über verdeckte Ermittler öfter vorkommen, will die ÖVP wissen. Das sei äußerst selten, "und so etwas bleibt in Erinnerung", ist sich Gridling sicher. Er gibt aber zu, dass dies in der Vergangenheit, unter einem früheren Innenminister, auch vorgekommen sei. Die Nachfrage, wer denn damals was wissen wollte, will sich Gridling zuerst entschlagen, beantwortet die Frage dann aber doch: "Das war damals Sektionschef Kloibmüller zur Causa Lansky-Aliyev, Genaueres ist mir nicht mehr erinnerlich." Für FPÖ-Fraktionschef Hans-Jörg Jenewein ist das ein weiterer Beweis, dass man sich "langsam aber sicher" anderen Beweisthemen, vor allem dem politischen Geflecht im BMI, widmen wird müssen.
"Menschlich enttäuscht"
Dass seitens des Innenministeriums eine derartige Frage an ihn herangetragen wurde, habe ihn aus zwei Gründen "verwundert", sagt Gridling. Einerseits habe Peter Goldgruber, wie dieser am Dienstag auch ausgesagt habe, nicht wollen, dass das BVT seinerseits über laufende Ermittlungen ans BMI berichte. Er wolle den Anschein von möglicher politischer Vorteilsnahme vermeiden, habe Goldgruber damals wissen lassen. Zudem gebe es im BMI intern eine Präambel, die alle leitenden Funktionsträger im Einflussbereichs des BMI unterschrieben hätten.
Demnach sei die Amtsverschwiegenheit "auch unter Kollegen" zu pflegen, die Unterzeichner verpflichteten sich, die Bestimmungen zu befolgen. Dann aber komme so eine Anfrage, das habe ihn und auch andere Mitarbeiter verwundert. Die Anfrage sei dann über einen Abteilungsleiter an Extremismus-Referatsleiterin Sibylle G. weitergegeben worden, die die Fragen knapp beantwortete und keine Angaben zu den verdeckten Ermittlern angab – nur, dass gegen Burschenschaften allgemein mangels gesetzlicher Grundlage nicht ermittelt werde. Dies betonte auch Gridling am Dienstag nochmals.
Von einem der wichtigsten Belastungszeugen, dem karenzierten Abteilungsleiter Martin W., sei er "menschlich enttäuscht", sagt Gridling. Er habe seinerseits immer ein freundschaftliches Verhältnis zu W. angenommen, sagt Gridling über den Belastungszeugen und Martin W. Er habe dessen Karriere anfangs gefördert. Probleme mit W. habe es aber dennoch oft gegeben: "Es gab mit W. viele Gespräche, weil Herr W. den Dienstweg gerne nicht berichtet hat und direkt ins Kabinett oder zum Generaldirektor gegangen ist", sagt Gridling.
Die Staatsanwaltschaft stellte Gridling, auch in Bezug auf die Aussagen der Belastungszeugen und der möglichen "Fernlöschungen", als "schlecht vorbereitet" dar. Er sei "überrascht" gewesen, nach seiner Einvernahme bei der WKStA den BMI-Kabinettsmitarbeiter Udo Lett im Vorzimmer sitzen zu sehen, sagt Gridling.
Keine Fernlöschungen möglich
Der Extremismus-Referatsleiterin Sibylle G., die bereits vor dem Ausschuss ausgesagt und die ebenfalls schwere Geschütze gegen das Kabinett Kickl und gegen Peter Goldgruber aufgefahren hatte, stärkt Gridling den Rücken. Dass G., deren Büro bisweilen als chaotisch dargestellt wird, viele Akten in ihrem Büro liegen habe, sei normal. "Wer viele Akten bearbeitet hat auch viele Akten bei sich."
Zudem sei nicht nur der interne Bereich, in dem sich Gs Büro befindet, gut elektronisch gesichert, eine Sicherung befinde sich auch an der Bürotüre von G.: "Wenn G. ihre eigene Ordnung hat und das Büro ordnungsgemäß abschließt, sehe ich darin keine Verfehlung."
Gesucht wurden in G.s Büro, zumindest sagten das mehrere an der Durchsuchung beteiligte EGS-Polizisten aus, Mails zwischen ihr und dem ehemaligen Vizedirektor Wolfgang Zöhrer. Gridling dazu: "Zöhrer war bis 2013 G.s unmittelbarer Vorgesetzter. Daher sind Kontakte zwischen ihnen recht wahrscheinlich."
Wie auch schon andere BVT-Mitarbeiter vor dem Ausschuss hält auch Gridling fest, dass keine "Fernlöschungen" von Daten auf BVT-Servern möglich sei und jeder Zugriff streng protokolliert wird. Auch via Fernzugang (VPN zu Hause) würden BVT-Mitarbeiter keine Serverdaten löschen können, möglich sei das nur bei Handys, was im Falle von Verlust des Geräts auch eine wichtige Sicherheitsmaßnahme darstelle. Nach wie vor sei er damit beschäftigt, "in zahlreichen Gesprächen" internationale Partnerdienste von der Vertrauenswürdigkeit des BVT zu überzeugen. Dieses sei sehr wohl stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
Am Mittwochnachmittag steht Dominik Fasching, Vizedirektor des BVT, dem Ausschuss Rede und Antwort.
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