Zum Hauptinhalt springen

Zu spät, zu wenig

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In den USA wurden im Juni mehr Jobs geschaffen, als erwartet worden war. Die Erholung der Wirtschaft mache gute Fortschritte, erklärte die amerikanische Notenbank. Und Europa? EZB-Chef Draghi musste ausrücken und niedrige Zinsen auf längere Zeit versprechen, um irgendein Signal zu setzen. Denn die europäische Wirtschaft lahmt. Die Arbeitslosigkeit wird wohl weiter steigen, auch in Österreich.

Was machen die USA nun besser als die EU? Die Frage ist relativ leicht zu beantworten. Die USA fahren ein abgestimmtes und aggressives Expansionsprogramm. Europa spart. Das führt mittlerweile auch zu schwachen Daten aus der allgemein als Vorbild geltenden deutschen Industrie.

Der Vergleich der Wirtschaftsdaten mit den USA zeigt deutlich: Europas Sparkurs war die falsche Antwort auf die Finanzkrise und ihre Folgen.

Das Erstaunliche daran ist, dass niemand daran denkt, dies zu ändern. Beispiel Griechenland: Die Regierung in Athen schloss zwar die öffentlich-rechtliche TV-Anstalt, hat aber bis heute keine funktionierende Arbeitsmarktverwaltung, wie es Österreich mit dem AMS besitzt. Wer arbeitslos ist, bleibt auch arbeitslos. Keine staatliche Agentur bietet Umschulungen und Beratung.

Genau daran krankt Europa: Krisenländern werden mit Mordsbrimborium Sparpläne verordnet, doch soziale Stabilität kommt darin nicht vor. Europa erzählt sich derzeit selbst, was es alles falsch macht, aber nicht, was richtig zu machen wäre. Die USA haben weniger zögerlich auf die Bankenkrise reagiert, die Obama-Regierung hat früh den Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Industriepolitik gesetzt. Dort sinkt die Arbeitslosigkeit.

Europa dagegen bleibt starr bei seinen Plänen. Die deutsche Wahl blockiere derzeit weitreichendere Entscheidungen, heißt es. Warum ein 20-jähriger Arbeitsloser in Süditalien warten muss, bis in Deutschland der Bundestag neu gewählt wird, erschließt sich nicht sofort.

Je stärker sich die Wirtschaftsdaten der USA und der EU aber auseinanderbewegen, desto größer wird der Druck. Dann werden - wie bereits in Portugal - die Zinsen für Staatsanleihen zu klettern beginnen, Banken werden noch vorsichtiger in der Kreditvergabe. Zu langsam, zu wenig - das kennzeichnet die europäische Politik nach wie vor. Die USA reagieren auf Krisen schnell und üppig. Es wäre fein, wenn die EU-Institutionen diese Lektion endlich lernen würden.