Bank Austria errechnet vier bis zehn Milliarden Euro Gesamtbelastung für heimische Branche. | Cernko: Verlust von Standortvorteilen droht. | Wien. Bank-Austria-Chef Willibald Cernko warnt davor, die Bankenregulierung auf die Spitze zu treiben. "Alle jetzt diskutierten Maßnahmen zusammen werden für den Bankensektor nicht leistbar sein", betont der Vorstandsvorsitzende des größten Geldinstituts in Österreich. Die Gesamtbelastung, die nach Berechnungen der Bank Austria vier bis zehn Milliarden Euro pro Jahr ausmachen würde, wäre für die Branche zu hoch.
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Zur Erinnerung: Den Banken stehen nicht nur höhere Kosten durch wesentlich schärfere Kapitalvorschriften (Basel III) ins Haus, sie sollen künftig auch eine Bankensteuer abführen und einen Einlagensicherungsfonds dotieren. Allenfalls kommt noch eine Finanztransaktionssteuer dazu.
Cernko sperrt sich nicht gegen die geplante Regulierung, fordert aber ein Paket mit Augenmaß: "Man kann nicht alles wollen." Sein Standpunkt: Schnürt die Politik ein zu enges Korsett, würde das der gesamten Branche die Luft zum Atmen nehmen.
In den letzten fünf Jahren (gute und schlechte Jahre) habe der durchschnittliche Gewinn der heimischen Banken jährlich 5,8 Milliarden Euro betragen, so Cernko in einem Pressegespräch. Eine Gesamtbelastung von vier bis zehn Milliarden Euro sei daher "ohne Gegenmaßnahmen nicht darstellbar".
Ausgleich durch Einsparungen und höhere Erträge
Um die höheren Kosten der neuen Belastungen tragen zu können, müssten die Banken woanders Kosten senken - etwa beim Personal. Laut Cernko droht in diesem Fall der Abbau tausender Jobs. Gleichzeitig müssten die Institute auch an der Preisschraube drehen, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Cernko:
"Natürlich würde es zu Verteuerungen für die Kunden kommen." Kredite für Privathaushalte könnten dann um 0,13 bis 0,30 Prozentpunkte teurer werden, Kredite für Firmenkunden um 0,06 bis 0,14 Prozentpunkte.
Ein weiterer Punkt im Szenario des Bank-Austria-Chefs: Auch die Aktionäre der Banken müssten einen "substanziellen Beitrag" leisten. Sie müssten ihren Gewinnanspruch reduzieren und sich auf niedrigere Dividenden einstellen.
Die heimischen Banken hätten dann aber das Problem, für Investoren nicht attraktiv genug zu sein, gibt Cernko zu bedenken. Und damit wäre es auch fraglich, ob sie das durch Basel III zusätzlich benötigte Eigenkapital - bei der Bank Austria spricht man von 5 bis 21 Milliarden Euro - überhaupt bekommen würden.
Sollte es nicht möglich sein, genug Kapital über die Märkte aufzubringen, "muss das Kreditbuch zurückgefahren werden", sagt Cernko. Wäre rund die Hälfte des zusätzlich benötigten Kapitals nicht verfügbar, müsste das Kreditvolumen (Risiko) um 9 bis 30 Prozent - 27 bis 94 Milliarden Euro - geschrumpft werden. Weniger Kredite wären die Folge und somit eine Kreditklemme mit entsprechenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft.
"Wenn all das so kommt, wie es diskutiert wird, laufen wir hochgradig Gefahr, dass wir Standortvorteile aufgeben", warnt Cernko. "Es kann auch nicht das Ziel sein, dass tausende Mitarbeiter ihren Job verlieren."
Nachsatz: "Eine Kuh, die man schlachtet, gibt auf ewig keine Milch mehr."
Statt Budgetlöcher zu stopfen müsse Prävention zur Vermeidung neuer Systemkrisen an erster Stelle stehen, meint Cernko. Eckpunkte dafür müssten
sein: eine europaweit einheitliche Finanzmarktaufsicht ("mit Biss") sowie neue Kapitalvorschriften, die risikoreichere Geschäfte entsprechend mehr belasten als das klassische Kundengeschäft und das Geschäftsmodell von Kundenbanken (wie der Bank Austria und anderen österreichischen Instituten) gegenüber Investmentbanken nicht benachteiligen.
Die auf EU-Ebene diskutierte Reform der Einlagensicherung, die den heimischen Bankensektor bis 2020 voraussichtlich mindestens 300 Millionen Euro pro Jahr kosten würde, hält Cernko indes für "nicht diskutabel". Bei der Bankenabgabe plädiert Cernko für einen moderaten Steuersatz, der sich am Netto-Gewinn orientieren sollte. Dieser Satz sollte so sein, dass die Banken noch Spielraum für Kapitalbildung haben. Cernko: "Von den 500 Millionen Euro
(Zielwert der Regierung, Anm.) sollte man loslassen."
In Sachen Regulierung und Bankensteuer errechnet eine Arbeitsgruppe der Regierung gerade die Belastbarkeitsgrenze des Bankensektors. Ob diese Gruppe zu ähnlichen Erkenntnissen wie die Bank Austria kommt, bleibt abzuwarten.
Erst im Herbst sollen Ergebnisse vorliegen. Die Bankensteuer selbst - an ihr will die Regierung keinesfalls mehr rütteln - soll Anfang 2011 eingeführt werden.