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"Zu Tode belebt"

Von Matthias Winterer

Politik
Die Grillhütten am Donaukanal stehen direkt an der Kante der Kaimauer. Laut Donaukanal-Partitur eine konsumfreie Zone.
© Winterer

Mit der Eröffnung des Feuerdorfes schreitet die Kommerzialisierung und Verbauung des Donaukanals weiter voran.


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Wien. Der Donaukanal hat sich verändert. In der vergangenen Dekade ist er zur Party- und Gastromeile mutiert und wurde zunehmend verbaut. Vor allem auf den zwei Kilometern am Rande der Inneren Stadt zwischen Franzens- und Augartenbrücke schossen Lokale wie Pilze aus dem Boden. Jahr für Jahr wurden neue Getränkestände aufgestellt. Jahr für Jahr vermietete man weitere öffentliche Flächen an private Gastronomen. Und Jahr für Jahr strömten mehr Besucher an das zentralste Wiener Donauwasser. Zumindest im Sommer.

In der kalten Jahreszeit verhallte die Partymusik. Der Trubel wich den Spaziergängern und Flaneuren. Doch dies könnte nun ein Ende haben.

Denn mit dem sogenannten Feuerdorf eröffnete Mitte Oktober der erste winterliche Gastronomiebetrieb am Donaukanal. In zehn Grillhütten können bis zu zwölf Gäste um eine Feuerstelle sitzen und grillen. Am rechten Schattenufer zwischen Salztorbrücke und dem Musikclub Flex stehen die rustikalen Holzhütten auf einem Untergrund aus Rindenmulch. Sie sind mit Holzstegen verbunden und ordnen sich um eine zentrale Schirmbar an. Neben der schlichten Architektur des Ringturms wirken sie wie Fremdkörper. Ähnlich der Prater-Alm oder dem Wiener Oktoberfest oszilliert das Arrangement irgendwo zwischen folkloristisch verklärtem Alpendorf und feuchtfröhlicher Après-Ski-Party.

Fläche wurde eigentlich als konsumfreie Zone definiert

Doch das neue Feuerdorf richtet sich weniger an ein ausgelassenes Partyvolk. "Wir werden von vielen Firmen als Alternative zur Weihnachtsfeier gebucht", sagt Initiator Hannes Strobl. 120 Euro kostete es, eine Hütte zu mieten. Natürlich darf man selbst kein Essen mitnehmen. Das günstigste Menü startet bei 19 Euro, das teuerste kostet 45 Euro. Die hohen Preise werden mit der hohen Qualität der Produkte gerechtfertigt. Zielpublikum ist eine gehobene Klientel.

Wo man im Sommer noch die Füße über die Kaimauer baumeln lassen konnte, werden nun also teure Menüs verkauft. Wieder einmal stellt sich die Frage, wie mit öffentlichem Grund und Boden umgegangen werden soll. Soll der Donaukanal als innerstädtischer Freiraum genutzt werden oder als Gewerbefläche? Ist der Kanal in erster Linie als Erholungsgebiet für die Bürger da oder für Gastronomen, um hohe Gewinne zu erzielen?

Eine Antwort gibt eigentlich die Donaukanal-Partitur - Gestaltungs- und Entwicklungsleitlinien für den Donaukanal -, die 2014 von der Stadt einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Sie wurde bei den Architektinnen Gabu Heindl und Susan Kraupp in Auftrag gegeben, damit das Verhältnis zwischen Freiräumen und kommerziell genutzten Flächen nicht kippt. Kern der Partitur ist ein "Nicht-Bebauungsplan".

Für die 900 Quadratmeter große Fläche des Feuerdorfes sieht die Partitur eine konsumfreie Nutzung vor. "Um eine durchgängige Erlebbarkeit des Flussraumes zu gewährleisten, soll die Wasserkante von kommerziellen Einrichtungen frei gehalten werden", heißt es außerdem in einer Empfehlung der Architektinnen.

Wieso hält sich die Stadt Wien also nicht an ihre eigenen Leitlinien? "Wir versuchen uns natürlich an die Gestaltungsleitlinien zu halten, im Endeffekt hat aber natürlich der Grundeigentümer das letzte Wort", sagt Andreas Gierlinger, Projektkoordinator der MA28 (Abteilung Straßenbau und Straßenverwaltung).

Grundeigentümer ist die Donauhochwasserschutz-Konkurrenz (DHK) - eine dem Verkehrsministerium unterstellten Gesellschaft -, die den Großteil der Liegenschaften am Donaukanal verwaltet. Sie besteht aus den drei Kurien Bund, Land Niederösterreich und Stadt Wien. Die DHK bestätigte der "Wiener Zeitung", die Fläche bis Ende März an die Feuerdorf GmbH verpachtet zu haben. Zu den Gestaltungsleitlinien und der Höhe des Pachtzinses wollte man sich jedoch nicht äußern. Auch beim - für die Betriebsgenehmigungen zuständigen - Magistratischen Bezirksamt für den 1. Bezirk gab man an, eine sogenannte vorübergehende gewerbliche Betriebsanlage genehmigt zu haben. Warum dies entgegen der Leitlinien geschah, wollte man auch hier nicht kommentieren.

Initiator wünscht sich ganzjährige Bespielung

Hinter der Feuerdorf GmbH stehen die beiden Gesellschafter Hannes Strobl und Patrick Nebois. Strobl wurde als Geschäftsführer von DocLX bekannt. Die Jugend- und Eventmarketing-Agentur veranstaltete Maturareisen und organisierte Uni-Feste unter anderem im Wiener Rathaus. Diese Verbindung könnte sich für seine zukünftigen Pläne als durchaus nützlich erweisen. "Das Feuerdorf ist ein Pilotprojekt. Man muss sehen, wie es von der Bevölkerung angenommen wird. Natürlich würde ich mir wünschen, dass wir es ganzjährig führen können", sagt er. "Wenn es gut läuft, werden wir versuchen, eine Verlängerung des Pachtvertrages zu bekommen." Strobl sieht das Feuerdorf durchaus als Bereicherung des Kanals. "Hier passiert im Winter nichts. Wir beleben den Kanal."

Für den Passanten Josef S. könnte die Belebung des Kanals jedoch langsam aufhören. "Der Kanal wurde zu Tode belebt", sagt der Pensionist. Er spaziert hier täglich mit seinem Hund vorbei. Früher habe er immer an der Fischerstiege Pause gemacht. "Seit diese Hütten hier stehen, gehe ich weiter."

Vielleicht kann Josef S. im Sommer wieder hier rasten. Würde man sich an die Leitlinien halten, wäre dies immer möglich.