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Zu Tradition und Kultur ermutigen

Von Kintto Lucas

Politik

Quito - Die indigene Gemeinschaft der Zapara im ecuadorianischen und peruanischen Amazonas-Urwald zählte noch Ende des 17. Jahrhunderts an die 100.000 Mitglieder. Heute leben nur noch 114 in Ecuador und 200 in Peru - ein Volk droht unterzugehen.


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Dieses Schicksal teilen die Zapara mit vielen der acht im heutigen Ecuador lebenden Amazonas-Ethnien. Bei der Entdeckung Amerikas zählten sie etwa fünf Millionen Mitglieder, heute sind nur noch 300.000 übriggeblieben. Überlebt haben 110.000 Quichua, 65.000 Shuar, 8.000 Achuar, 1.500 Siona und Secoya, 900 Cofan und 900 den Huaorani zugehörigen Tagaeri und Tharomenane.

1996 hatte die in Ecuador ansässige Organisation der Zapara dem Untergang den Kampf angesagt. Sie gründete ihr eigenes kulturelles Wiederbelebungsprojekt, begann sich mit der Tradition auseinanderzusetzen und bestimmte vier Ältere mit der Verbreitung von Sprache und Brauchtum.

Zugleich strebte die Gruppe die Vereinigung des seit dem ecuadorianisch-peruanischen Krieg von 1941 geteilten Volkes an - ein Ziel, das nur Monate nach seiner Proklamation durch den Präsidenten der ecuadorianischen Zapara, Bartolo Ushigua, im Dezember 1999, erreicht wurde. Möglich hatten dies die 1998 in Brasilia unterzeichneten Friedensverträge zwischen Ecuador und Peru gemacht.

Am 18. Mai dieses Jahres zahlten sich die Bemühungen der Zapara dann ein weiteres Mal aus. An diesem Tag ernannte die UN-Kulturorganisation UNESCO in Paris 19 Meisterwerke traditioneller Weltkultur. Die Zapara wurden unter anderem für ihre mündliche Geschichtstradition ausgezeichnet.

Die UNESCO verlieh zudem drei weiteren kulturellen Schätzen Südamerikas den Meisterwerke-Titel: dem Tanz und der Musik der in Belize, Honduras und Nicaragua lebenden Garifuna, dem Oruro- Karneval in Brasilien und der dominikanischen Bruderschaft vom Heiligen Geist für die Kongos von Villa Mella. Nach UNESCO-Angaben soll die Ehrung Regierungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Gemeinschaften ermutigen, Traditionen zu erforschen, zu pflegen und zu erhalten. Für den Anthropologen Javier Ponce ist der Titel eine große Chance für die Zapara. Der Frieden zwischen Ecuador und Peru habe die Wiederauferstehung des Volkes ermöglicht, die UNESCO-Ehrung könnte daraus die Auferstehung eines neuen, dauerhaften Lebens machen, meint er.

Allerdings sieht der Experte auch allen Grund zur Sorge. Für ihn wie für Ricardo Ulcuango, den Vize-Präsidenten des Verbandes der Indigenen Nationalitäten Ecuadors

(CONAIE), war und ist die Ausbeutung des Amazonas eine große Gefahr für die Ureinwohner.

Schon im 16. Jahrhundert, so Ponce, sei mit den Ouijo das erste Ureinwohnervolk ausgestorben. Sie hatten sich den damaligen spanischen Machthabern widersetzt und wurden dafür ausgelöscht. Die größten Gefahren des 20. Jahrhunderts erkennt Ulcuango im Vordringen der Öl-, Holz- und Bergbauindustrie und in der Landwirtschaft. Unter diesen Aktivitäten litten die Völker nicht weniger als die Natur.

Jüngeren Datums ist die Bedrohung durch den so genannten "Plan Colombia". Die im letzten Jahr angelaufene Anti-Drogen-, Friedens- und Entwicklungsinitiative Kolumbiens wird in hohem Maße von den USA unterstützt. Nach Angaben von Ulcuango sind die nahe der Grenze zu Kolumbien lebenden ecuadorianischen Ureinwohner nicht nur den Sprühaktionen gegen Kokafelder ausgesetzt. Sie werden zunehmend in den kolumbianischen Bürgerkrieg hineingezogen, der mittlerweile auch jenseits der Grenze ausgetragen wird. "Mehr als 300 Mitglieder der Shuar, Achuar und Quichua sind bereits aus ihrer Heimat vertrieben worden", so der CONAIE-Vizepräsident. Kolumbianische Paramilitärs hätten sie bedroht.

Als weitere Gefahr bezeichnete er den Bau einer neuen Pipeline, die Öl aus dem Amazonas bis zum Pazifik schaffen soll, "eine von vielen Gefahren für den Urwald und die Heimat der Ureinwohner", kommentierte er.

Hin und wieder treffen die Folgen von Jahrhunderte langer Unterdrückung und Beraubung Unschuldige. 1987 starben der katholische Bischof von Lago Agio, Monsignore Alejandro Labaca, und die Nonne Ines Arango, als sie den Huaorani erklären wollten, dass die auf ihrem Land operierenden Ölkonzerne eine Gefahr darstellen. Zuvor war der Stammesoberste der Huaorani, Taga, kurz nach ersten Ölbohrungen ermordet worden.