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Zu viel auf einmal?

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Es war ein nachdenklicher Auftritt, den der neue Finanzminister Hans Jörg Schelling im Nationalrat hinlegte. Er sprach viel von "großen Anstrengungen" und auch, dass es so gut wie keinen Spielraum für eine Steuersenkung gibt. Eine Steuerreform aber sehr wohl.

Zuvor hat er wohl an seinem ersten Arbeitstag die neuen Wirtschafts-Einschätzungen gelesen. Denn die sind grottenschlecht und die meisten Negativ-Faktoren liegen außer nationaler Reichweite. Alles, was die Regierung versuchen kann, ist, die private Inlands-Nachfrage anzukurbeln. Das macht es sehr wahrscheinlich, dass die vom ÖGB geforderte Senkung des Eingangssteuersatzes bei Lohn- und Einkommensteuer 2015 kommen wird. Immerhin hat die Gewerkschaft gestern ihr dafür selbst gewähltes Ziel von 500.000 Unterstützern erreicht.

Es wird allerdings keine Steuersenkung, sondern die etwa 4,5 Milliarden Euro Erleichterung werden durch andere Steuererhöhungen ausgeglichen. Auch da zeichnet sich einiges bereits ab: Viele Steuerausnahmen dürften gestrichen werden. Die Erbschaftssteuer schwebt im Raum, ebenso eine Erhöhung der Grundsteuer. Und auch bei der Mineralölsteuer dürfte sich einiges tun, als "Öko-Reform" verbrämt. Ob sich Schelling in der ÖVP allerdings mit der Kürzung von Förderungen (Ökostrom, Wirtschaft, Agrar) durchsetzen kann, muss doch bezweifelt werden.

So wünschenswert eine Ankurbelung der Inlandsnachfrage ist, aber die steht mittlerweile auf tönernen Füßen. Der wachsende Konflikt zwischen EU und Russland drückt ohne Zweifel aufs Gemüt, und das hebt nicht gerade die Konsumlaune der Menschen.

Wichtiger als die Innenpolitik in Sachen Wirtschaftsankurbelung ist daher eine starke europäische Antwort. Eine weitere Aufweichung der Defizit-Regeln wird daher mit jedem Tag, den der Ukraine-Konflikt weitergeht, wahrscheinlicher. Mario Draghi kann sich am Donnerstag durchringen, doch massiv in den Ankauf von Staatsanleihen einzusteigen und damit noch mehr Geld bereitzustellen. Doch gleichzeitig wird es wohl auch fiskalpolitische Impulse geben müssen.

Daneben müssen Paris, Rom und Berlin aber auch einiges an Reformen umsetzen. Deutschland wird Verschuldung zulassen müssen, Hollande und Renzi müssen ihre verkrusteten Strukturen zerschlagen. Das klingt nicht nur nach viel, das ist auch viel. Zu viel vermutlich.