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Zu viel Leben auf dem Friedhof

Von Christina Böck

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In der offiziellen Hymne des Zentralfriedhofs steht kein Wort davon. Und in der geht es ziemlich zur Sache. Dort "steß’n" nicht nur zwei Skelette "mit zwa Urnen on und saufen um die Wette". Dort wird es auch makaber, denn "Die Pforrer tanz’n mit die Hur’n, und Juden mit Araber". Außerdem! "Heit san olle wieder lustich, heit lebt ollas auf, Im Mausoleum spü’t a Band, die hot an Wohnsinnshammer d’rauf". Also keine dröge Partie auf dem Zentralfriedhof. Aber eines kam dem Texter von Wolfgang Ambros’ Ewigkeitshit "Es lebe der Zentralfriedhof", Joesi Prokopetz, dann doch nicht in den Sinn: dass der Zentralfriedhof zum Sportplatz wird. Im März wurden zwei Laufstrecken durch das riesige Areal präsentiert. Dass so eine Aktion nicht nur Freunde haben wird, hätte man sich ausmalen können.

Nun unterstützt die Volksanwaltschaft eine Beschwerdeführerin, die sich beim Beten am Grab ihrer Liebsten von Läufern und deren Motivationsmusik gestört fühlt. Da treffen zwei verschiedene Modelle des Totengedenkens harsch aufeinander: jene, die die Totenruhe in einer hermetisch abgeschlossenen Zone sehen, und jene, die den Friedhof als offenen Lebensraum betrachten. Nun wird die riesige Grünfläche ohnehin bereits wie ein Park angesehen, durch den auch Radfahrer brettern. Aber gerade an einem Ort, an dem Menschen ihre Trauer verarbeiten, sollte an erster Stelle die Rücksichtnahme stehen. Auch wenn laut Austropop die Bewohner des Zentralfriedhofs zumindest gegen die Musik der Jogger wenig einzuwenden hätten.