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Zu viele CO<sub>2</sub>-Zertifikate schaffen kaum sozialen Impact

Von Niclas Schmiedmaier

Gastkommentare
Niclas Schmiedmaier ist CEO des österreichischen Social Enterprise Helioz, das transparente Klimaprojekte für CO2-Kompensation betreibt.
© Helioz

Umweltverschmutzung ist für Unternehmen zu rentabel.


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Im vergangenen Jahr hat sich am freiwilligen CO2-Markt einiges getan. So sind die Preise für CO2-Zertifikate um 40 Prozent gestiegen, der Markt selbst ist um 20 Prozent auf 1,2 Milliarden US-Dollar gewachsen, die Zahl der Unternehmen, die sich Netto-Null-Emission-Ziele setzen, hat sich mehr als verdoppelt, und die Emissionen sind um 30 Prozent zurückgegangen. Auf den ersten Blick klingt all das wie gute Neuigkeiten.

Man kann es aber auch so sehen: Unternehmen nehmen lieber mehr Geld in die Hand, um ihren CO2-Ausstoß zu kompensieren, als tiefgreifend ihre Prozesse nachhaltig zu verbessern, ihre Wertschöpfungskette von Anfang bis Ende zu implementieren und die restlichen entstehenden Emissionen schlussendlich über CO2-Zertifikate zu kompensieren. Selbst mit dem Preisanstieg sind die Zertifikate noch immer zu billig und machen es Unternehmen zu einfach, sich als nachhaltig zu positionieren. Es lohnt sich noch immer finanziell mehr, die Umwelt zu verschmutzen, als tiefgreifende Veränderungen im eigenen Unternehmen einzuführen.

Es werden CO2-Zertifikate erworben, die kaum sozialen Impact schaffen. Die Anbieter von Zertifikaten schmücken sich mit Zielen für nachhaltige Entwicklung, die nur auf dem Papier existieren, und bewirken darüber hinaus keine weitere Veränderung für die Menschen, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind. So entstehen Preise für Zertifikate, die behaupten, die Leben von Menschen und die Biodiversität zu verbessern, doch in Wirklichkeit unterliegen sie keiner Basis zur Preisgestaltung, und es werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Freiwillige CO2-Kompensation muss allerdings nicht nur grüne Augenauswischerei bedeuten. Der freiwillige CO2-Markt ist eine wichtige Finanzierungsquelle für Klimaschutzmaßnahmen und Projekte, die bedeutenden Mehrnutzen für ländliche Gemeinschaften in den Ländern darstellen, die der Klimawandel am meisten betrifft. Das Risiko von Greenwashing kann durch klare und transparente Unternehmensaussagen vermieden werden, wenn ehrliche Partnerschaften für Klimaschutzaktivitäten eingegangen werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass nicht alle Spieler auf diesem Markt diesen größeren Nutzen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.

Wo soll die CO2-Reise hingehen?

Viele Aspekte der vorherrschenden Kritik an Mechanismen der CO2-Kompensation sind durchaus begründet, doch was sind die Lösungsvorschläge? Nun, zum Beispiel Transparenz, Qualitätsstandards, sozialer Impact und der Leitsatz "Vermeiden - reduzieren - kompensieren". Allerdings reicht es nicht, bei jenen Ethikstandards in Sachen Nachhaltigkeit auf intrinsische Motivation der Unternehmen allein zu setzen. Um die wertvollen Aktivitäten des Kompensationsmarktes fortzusetzen, braucht es Maßnahmen, die den CO2-Handel beaufsichtigen. Überstaatliche Maßnahmen, die sicherstellen, dass das Engagement auf dem CO2-Markt für Projekte, Befürworter, Financiers und Käufer werthaltig bleibt.

Es ist an der Zeit, CO2-Kompensation als eine gesellschaftliche Verantwortung statt grüner Wohlfühlmaßnahme für Unternehmen zu verankern. Dazu ist es aber wichtig, einen Markt zu schaffen, der keine Schlupflöcher und grauen Bereiche mehr zulässt.