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"Zu Weihnachten gibt es keine Gnade"

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Weihnachtsfrieden sucht man in vielen Büros des Landes vergeblich.
© Bilderbox.at

Unternehmensberater Laminger fordert Nachsicht mit Arbeitnehmern.
| Weihnachtseinkäufe rechtfertigen keine Dienstverhinderung.


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Wien. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht der Weihnachtsurlaub vor der Tür: Für viele Arbeitnehmer sind die letzten Arbeitstage vor Weihnachten alles andere als gewöhnliche Werktage. Denn während Angestellte im Handel unter Hochdruck schuften, macht sich in vielen Büros des Landes der Weihnachtssegen breit. Kurz vor Weihnachten könne der Chef ja schließlich keine Höchstleistungen mehr erwarten - oder etwa doch?

"Zu Weihnachten gibt es keine Gnade", räumt Günter Köstelbauer, Arbeitsrechtsexperte der Arbeiterkammer mit allzu idealistischen Vorstellungen auf, um jedoch zu differenzieren: "Und zwar weder von der einen noch der anderen Seite." Gerade in der Zeit vor Weihnachten häufen sich die arbeitsrechtlichen Anfragen bei den Beratern der Arbeiterkammer. Dabei gehe es primär um Dinge wie Weihnachtsgeld, aber auch das nahende Quartalsende wirft seine Schatten voraus: "Zu Quartalsende wird schon geschaut, rechtzeitig zu kündigen", so der Arbeitsrechtsexperte gegenüber der "Wiener Zeitung".

Normal abnormal
Keine Spur also vom Weihnachtsfrieden? Auch Erich Laminger, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Great Place to Work Österreich und ehemaliger Vorsitzender des Sozialversicherungs-Hauptverbandes, bestätigt: "Grundsätzlich sind die Werktage vor Weihnachten zunächst einmal normale Arbeitstage." Gleichzeitig müsse man aber sehen, dass gerade der letzte Arbeitstag dann doch kein wirklicher sei. Denn "die Leute haben Bedürfnis, sich schöne Feiertage zu wünschen und sich vielleicht etwas mehr zu unterhalten als sonst", so Laminger. Nach Ansicht des Unternehmensberaters müsse der Arbeitgeber hier schon aus eigenem Interesse Nachsicht walten lassen.

"Wenn sich meine Mitarbeiter zusammensetzen, um Kaffee zu trinken und Weihnachtswünsche auszutauschen, dann sollte ich das zulassen. Denn so werde ich Mitarbeiter haben, die später bereit sind, sich für das Unternehmen anzustrengen", so Laminger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Glaubwürdigkeit über das ganze Jahr
Immer wieder gebe es gleichzeitig Arbeitgeber, die sich zu Weihnachten besonders ins Zeug werfen, den Mitarbeitern mit größtmöglichem Wohlwollen begegnen oder auch spektakuläre Weihnachtsfeiern organisieren, um sich ihre Loyalität zu sichern. "Das funktioniert so nicht", bringt Laminger seine Ablehnung auf den Punkt. "Es gibt viele große und schöne Weihnachtsfeiern, bei denen dann die Mitarbeiter, die sich während des Jahres nicht richtig und gut behandelt fühlen, einfach ihr Kommen verweigern", so Laminger. "Man muss das ganze Jahr über eine vernünftige Beziehung mit den Mitarbeitern leben, dann werden sie auch wohlgemeinte Worte und Taten zu Weihnachten glauben", ist der Unternehmensberater überzeugt.

Für die letzten Arbeitstage vor Weihnachten - aber auch für das gesamte Jahr - müssen die Arbeitgeber daher akzeptieren, dass die Arbeit mit Menschen eben nicht immer zu 100 Prozent gleich funktionieren können - wenngleich dieser Anspruch in gewissen Bereichen wie der Gesundheitsversorgung auch zu Weihnachten erhoben werden muss. Das bedeute jedenfalls, dass man "jenen Mitarbeitern, für die Weihnachten etwas Unangenehmes ist, mit einer gewissen Sensibilität begegnet", fordert Laminger.

Urlaub für den Weihnachtseinkauf?
Eine Sensibilität, die der Arbeitgeber auch am letzten Arbeitstag vor Weihnachten zeigen sollte: "Verlange ich am 23. Dezember, der dieses Jahr auch noch auf einen Freitag fällt, dass meine Mitarbeiter zu 100 Prozent bis Dienstschluss zu funktionieren haben, mache ich einen Fehler", meint Laminger. Was aber tun, wenn selbst ein vorgezogener Feierabend nicht reicht, um die letzten Weihnachtseinkäufe zu erledigen? Rechtlichen Anspruch auf Freizeit zum Geschenkseinkauf hat der Arbeitnehmer nämlich keinen: "Das ist keine persönlich wichtige Dienstverhinderung", bestätigt Köstelbauer, der zugleich die vernünftigste Lösung anbietet: "Der Arbeitnehmer wird wohl sagen müssen, ich nehme mir Gutstunden oder einen Urlaubstag."

Im Idealfall in Absprache mit dem Vorgesetzten. Denn auch wenn im Büro kein Weihnachtsfrieden herrschen sollte - einem gesunden Betriebsklima ist das gewiss nicht abträglich. Und das sollte man übrigens das ganze Jahr hindurch suchen - als Arbeitgeber wie als Arbeitnehmer.