Zum Hauptinhalt springen

Zu wenig Platz für Hilfesuchende

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Probleme von Asylwerbern und Asylwerberinnen bei der Quartiersuche sind nicht gelöst. Trotz der Zusage des Innenministeriums, bis 1. Mai für die Kosten der Unterbringung aufzukommen, stehen nicht genug Plätze zur Verfügung, um alle Flüchtlinge vor der Obdachlosigkeit zu bewahren. Hilfsorganisationen wenden sich abermals mit einem Appell an Länder und Gemeinden, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Kenntnisse der Landessprache sind dafür nicht notwendig. Die Frau, die den Mitarbeiter der Diakonie Österreich in die kleine Küche bittet, kann sich auch so verständigen. Sie zeigt ihm, dass das Wasser zu kalt ist. In den Duschen auch, gibt sie zu verstehen. Dabei müssen doch Kinder gebadet werden, Babies.

Das ist nicht das einzige Problem, das die Diakonie in ihrem Flüchtlingshaus im neunten Bezirk bewältigen muss. 176 Menschen leben in dem ehemaligen Krankenhaus, das in den 90er-Jahren für die Unterbringung von Flüchtlingen adaptiert wurde. Die Platznot ist groß. Eine Familie ist sogar in dem Zimmer untergebracht, das als Aufenthalts- und Gästeraum sowie für die Deutschkurse genutzt wird.

Quartiere sind da, dürfen aber nicht genutzt werden

Auch Caritas, Volkshilfe und Rotes Kreuz beklagen: Es fehlen noch immer Quartiere für Flüchtlinge. Besser gesagt: Die Plätze wären da, doch sie können nicht belegt werden. Rund 1.000 Unterkünfte werden benötigt. Gemeinsam mit Hilfsorganisationen appellierte auch Innenminister Ernst Strasser an Länder und Gemeinden, Plätze zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig stellte Strasser aber klar: Gegen den Willen der Bürgermeister werden keine Quartiere eingerichtet.

Als die Appelle großteils erfolglos blieben, wandte sich das Ministerium an das Rote Kreuz. Danach konnten 150 Personen untergebracht werden. Nach Recherchen des Roten Kreuzes könnten weiters 900 Plätze in Kasernen und 500 in privaten Unterkünften geschaffen werden. Doch das sei derzeit nicht möglich, weil Länder und Gemeinden sich dagegen wehren, erklärt Werner Kerschbaum, stellvertretender Generalsekretär des Roten Kreuzes.

Zahl der Asylanträge sinkt, Zahl der Obdachlosen steigt

"Die NGOs haben sich angestrengt und Quartiere gefunden. Doch deren Nutzung ist am politischen Willen gescheitert", fasst Diakonie-Direktor Michael Chalupka zusammen. Hinzu komme der Aufnahmestopp in Traiskirchen. Rund 1.300 Personen halten sich derzeit legal im dortigen Flüchtlingslager auf, andere werden abgewiesen - wie die rund 350 Menschen in den letzten vier Wochen.

Der "Weihnachtsfriede", der noch vor wenigen Monaten AsylwerberInnen vor der Obdachlosigkeit bewahrte, sei damals vor allem dank der Gemeinde Traiskirchen zustande gekommen, die bereit war, ihre Aufnahmekapazität zu erweitern, erklärt Stefan Wallner, Generalsekretär der Caritas. "Nun aber spitzt sich die Situation wieder zu", meint er. Über 200 Personen auf Quartiersuche hat die Caritas seit Jänner abweisen müssen. "Das Paradoxe ist", sagt Wallner, "dass die Zahl der Asylanträge seit Monaten sinkt, die Zahl der Obdachlosen aber steigt".

"Strasser hat sich anscheinend von dem Thema verabschiedet", kritisiert Heinz Stieb, Volkshilfe-Bereichsleiter Integration und Internationale Zusammenarbeit. Die Verantwortung des Bundes sollen nun die Bürgermeister auf sich nehmen. Und mit einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die am 1. Mai in Kraft tritt, geht die Pflicht, Quartiere zu finden, auf die Länder über.

Der Vorwurf, sich der Verantwortung zu entziehen, wird im Innenministerium zurückgewiesen. "Das Ministerium könnte - rein rechtlich - auch gegen den Willen des Bürgermeisters Flüchtlinge in seiner Gemeinde unterbringen", erläutert Walter Ruscher, stellvertretender Leiter der Abteilung für Asyl und Betreuung. "Sinnvoll ist es aber nicht." Allzu leicht kann es passieren, dass sich Bürgermeister innerhalb kürzester Zeit mit aufgebrachten BürgerInnen oder Unterschriftenlisten gegen die Unterbringung von Asylwerber-Innen auseinander setzen müssen.

"Wir versuchen, auf allen Wegen Lösungen zu finden", versichert Ruscher. So habe das Ministerium Briefe an die Bürgermeister geschickt, Gespräche mit Ländern und Gemeinden geführt. Vor einigen Tagen haben sich Ministerium, NGOs sowie Städte- und Gemeindebund auf wesentliche Rahmenbedingungen der Unterbringung geeinigt. Und wenn auch nach dem 1. Mai nicht genügend Unterkünfte gefunden sind? Dafür ist der Bund dann nicht mehr zuständig.

Unterdessen sehen sich die Länder mit Vorwürfen konfrontiert, sie erfüllen ihre Quoten zur Unterbringung von AsylwerberInnen nicht. Lediglich Wien und Niederösterreich stellen die geforderten Plätze zur Verfügung.

Steiermark: Land betreut mehr Menschen als Bund

So sollten in der Steiermark rund 1.500 Flüchtlinge untergebracht sein. Es sind aber 1.300. Doch das Innenministerium geht von den Zahlen der Bundesbetreuung aus, stellt Soziallandesrat Kurt Flecker fest. Nicht berücksichtigt werden die rund 1.600 Menschen, die sich in Landesbetreuung befinden. "Für uns spielt die Quote keine Rolle mehr", erklärt Flecker. Denn ab 1. Mai wird nicht zwischen Bundes- und Landesbetreuung unterschieden, und damit habe die Steiermark ihr Soll mehr als erfüllt. Die Kosten für die Versorgung aller übernimmt zu 60 Prozent der Bund, 40 Prozent tragen die Länder. Und: Die Unterbringung der Flüchtlinge werde das Land keinesfalls von der Zustimmung der Bürgermeister abhängig machen.

Nach Schätzungen des Innenministeriums liegen die Kosten für die Grundversorgung bei 125,6 Millionen Euro pro Jahr - für Bund und Länder. Dabei wird von 16.000 Betroffenen ausgegangen. Was passiert, wenn mehr Menschen in Not geraten, ist nicht klar.