)
Kinderliga fordert mehr Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Bei der Präsentation des ersten Berichts der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit 2010 sorgte der schlechte Gesundheitszustand der jungen Menschen für Aufregung. Heute, vier Jahre später, ist zwar laut Kinderliga-Präsident Klaus Vavrik "auf Planungs- und Strategieebene recht viel geschehen - die Schwierigkeit liegt aber darin, Visionen und Ideen umzusetzen". Noch immer fehlen 80.000 Therapieplätze sowie Rehabilitationsbetten für Kinder und Jugendliche, so der Präsident am Donnerstag bei der Präsentation des aktuellen Jahresberichts. Die Kinderliga fordert daher mehr Plätze sowie die Abschaffung der Selbstbehalte, weil diese ein enormes Hindernis darstellten.
Der derzeitige Stand: In Wien sind sechs Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie geplant. In Niederösterreich gibt es fünf. Hier sollen 30 Stellen für Ergotherapie geschaffen werden. Studien zufolge sind allerdings 21 Prozent der Kinder psychisch auffällig, etwa zehn Prozent bräuchten eine Behandlung. Um den Bedarf von 80.000 Therapieplätzen mit Kassenstellen decken zu können, besteht ein enormer Aufholbedarf. Das Honorar für einen Privatarzt liegt bei rund 130 Euro.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde lange stiefmütterlich behandelt. Erst seit 2007 gibt es die Facharztausbildung zum Kinder- und Jugendpsychiater, davor war es ein Zusatzstudium. Aktuell gibt es in dieser Sparte nur 147 Fachärzte - der Bedarf wäre laut Medizinischer Universität Wien doppelt so hoch.
Rehabilitationsbetten für Kinder gibt es österreichweit gerade einmal 52. Für Erwachsene sind es 7700. Der Bedarf für Kinder liegt laut Österreichischer Ärztekammer bei rund 450 Betten. 4000 bis 6000 Kinder und Jugendliche würden jährlich Rehabilitationsmaßnahmen brauchen.
"Gratis-Zahnspange hat nicht oberste Priorität"
Im Regierungsprogramm ist zwar festgeschrieben, dass zum Thema Rehabilitation Konzepte für Kinder und Jugendliche entwickelt werden sollen. Im Gegensatz dazu wurde diese aber bereits zur Pflichtleistung ab 2015 für Erwachsene geklärt. "Das ist eine Ungleichbehandlung", sagte Vavrik. "Der Mangel ist groß. Alles, was bis dato geschehen ist, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein."
Von dem Plan des Gesundheitsministers Alois Stöger, dass Zahnspangen künftig gratis sein sollen, ist Vavrik ebenfalls nicht uneingeschränkt begeistert. Die Maßnahme soll rund 100 Millionen Euro kosten, oberste Priorität habe die kieferorthopädische Gratisversorgung für alle Kinder aber nicht. Viel wichtiger sei, eine flächendeckende Therapieversorgung ohne Selbstbehalt zu schaffen - die Kosten dafür würden laut Vavrik bei 70 Millionen Euro liegen.
Im Gesundheitsministerium will man ganz anders an das Problem herangehen. "Für uns ist das keine Frage von Entweder-oder, uns sind beide Themen wichtig", heißt es dazu auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". "Die Gratis-Zahnspange betrifft einfach mehr Kinder und ist deshalb medial bekannter."
Der Ruf nach speziellen Therapien für Kinder und Jugendliche hingegen sei erst in den vergangenen Jahren laut geworden - dementsprechend kurz war die Zeit für Maßnahmen und Veränderungen. Geschehen sei schon einiges: In der vorigen Legislaturperiode wurde eine Strategie für Kinder- und Jugendgesundheit entwickelt, Letztere ist auch Teil der Gesundheitsreform. Das Ministerium betont: "Das Problembewusstsein ist da."