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Zuckerbrot in Peking

Von Ronald Schönhuber

Politik

Weil die Spannungen mit den USA zunehmen, wird für China ein gutes Einvernehmen mit Europa wichtiger.


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Den Boden für das große Treffen von Staatschef Xi Jinping, Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen hatte die chinesische Diplomatie schon im Vorfeld gründlich aufbereitet. In einem vielbeachteten Interview mit der "New York Times" hatte Fu Cong, der Botschafter der Volksrepublik bei der Europäischen Union, wenige Stunden vor der Ankunft des französischen Präsidenten und der EU-Kommissionschefin in Peking nicht nur chinesische Waffenlieferungen an Russland ausgeschlossen, sondern auch die Bedeutung der vor einem Jahr verkündeten "grenzenlosen Partnerschaft" zwischen Peking und Moskau relativiert. "Dass China in diesem Krieg an der Seite Russlands steht, wird von vielen absichtlich falsch interpretiert", sagte Fu in dem mehr als eine Stunde dauernden Gespräch mit den "New York Times"-Journalisten. "Die grenzenlose Partnerschaft ist nichts weiter als Rhetorik."

Dass China weiß, was die Europäer nach mehr als einem Jahr Krieg gerne hören möchten, wurde dann auch auf dem Gipfel selbst deutlich. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron, den er zuvor mit einem lange dauernden Handschlag begrüßt hatte, sprach sich Xi am Donnerstag nicht nur für möglichst baldige Friedensgespräche aus, sondern bekräftigte auch seine Ablehnung eines Einsatzes von Atomwaffen in der Ukraine. "Nuklearkriege sollten nicht geführt werden", sagte Xi. "Wir müssen Abstand von allen Handlungen nehmen, die die Situation weiter verschlechtern oder völlig außer Kontrolle geraten lassen."

Xi will mit Selenskyj telefonieren

Laut französischen Diplomaten ist Xi, der erst Mitte März für drei Tage bei Kreml-Chef Wladimir Putin in Moskau zu Gast war, auch bereit, "zu gegebener Zeit" mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu telefonieren. Vor dem Treffen hatte Macron den chinesischen Staatschef öffentlich aufgefordert, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen. "Ich bin fest davon überzeugt, dass China eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Frieden spielt", sagte Macron. "Ich weiß, ich kann auf Sie zählen, um Russland wieder zur Vernunft und alle an den Verhandlungstisch zu bringen."

Für Xi ist ein gutes Einvernehmen mit den Europäern und eine Reparatur der auf einem Tiefpunkt angelangten Beziehungen zuletzt wieder deutlich wichtiger geworden. Denn während die Vereinigten Staaten China auch unter Präsident Joe Biden ganz klar als zentralen geopolitischen und ökonomischen Rivalen betrachten und sich die Spannungen in der Taiwan-Frage immer weiter verschärfen, ringt Europa noch damit, wie es künftig mit jenem Land umgehen soll, das viele Jahre lang der wirtschaftliche Sehnsuchtsort der großen europäischen Konzerne war. 

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So sind die EU-Staaten trotz des Drängens der Vereinigten Staaten zwar bisher vor einer substanziellen Verschärfung ihrer China-Politik zurückgeschreckt, gleichzeitig wurde in den vergangenen Monaten aber immer deutlicher, dass die Europäer nicht den selben Fehler wie bei Russland ein zweites Mal machen wollen, indem sie sich in kritischen Wirtschaftssektoren von einer immer autoritärer agierenden Großmacht abhängig machen.

Erst vergangene Woche hatte von der Leyen in einer Rede die Notwendigkeit betont, die Beziehungen zu China neu zu ordnen. Eine vollkommene Entkopplung sei zwar aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung nicht sinnvoll, angesichts des international immer aggressiveren Auftretens Chinas müsse es aber eine "Risiko-Minimierung" geben, sagte die EU-Kommissionspräsidentin, die in absehbarer Zeit auch eine neue China-Strategie vorlegen will, damals.

Gute Geschäfte mit Peking

Zumindest in dieser Hinsicht dürfte sich für Xi die rhetorische Distanzierung zu Russland auch bereits bezahlt gemacht haben. So wurden am ersten Besuchstag von Macron, der mit einer 50-köpfigen Wirtschaftsdelegation nach China gereist war, auch gleich mehrere Abkommen mit französischen Unternehmen unterzeichnet.

Der staatliche französische Energieversorger EDF und der chinesische Energieversorger CGN, die beide zu den weltweit größten Betreibern von Kernkraftwerken zählen, erneuerten ihre langjährige Partnerschaft, gleichzeitig schloss der französische Konzern mit der China Energy Investment Corporation mehrere Verträge über Offshore-Windkraftanlagen ab. Ebenfalls vereinbart wurde am Donnerstag eine zweite Airbus-Montage-Linie, womit sich die Produktionskapazitäten der Flugzeugbauers Airbus in China verdoppeln.

"Strategische Autonomie bedeutet nicht Autarkie", sagte Macron, der bereits vor seinem Treffen mit Xi eindringlich davor gewarnt hatte, die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit China zurückzufahren. So gebe es aus französischer Sicht noch immer zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten in Sektoren, in denen die nationale Sicherheit nicht gefährdet sei.

Weil die Spannungen mit den USA zunehmen, wird für China ein gutes Einvernehmen mit Europa wichtiger. Beim Treffen von Xi, Macron und von der Leyen mündet das in eine zumindest rhetorische Distanzierung von Russland.