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Zuckermarkt bald neu

Von Christine Zeiner

Europaarchiv

Die europäischen Zuckerpreise sollen sinken, einen entsprechenden Entwurf will die EU-Kommission heute, Mittwoch, präsentieren. Die großen Zuckerproduzentenländer Brasilien, Australien und Thailand machen in der Welthandelsorganisation (WTO) Druck auf die EU: Die Agrarsubventionen würden den Wettbewerb verzerren. Tatsächlich wird in der EU mehr Zucker angebaut, als verbraucht, und dieser mit EU-Geldern finanzierte Überschuss am Weltmarkt verkauft.


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Im Schnitt zahlen die europäischen Konsumenten 1 Euro pro Kopf und Monat mehr als auf einem theoretisch freien Markt. Die Subventionen für die Zuckerwirtschaft, die fast 5 Mio. Tonnen im Jahr exportiert, kosteten im vergangenen Jahr EU-weit 1,7 Mrd. Euro.

Die EU-Kommission wird in ihrem Entwurf vorschlagen, die Rübenmindestpreise um insgesamt 42,6% zu senken. Bis 2006/07 sollen die Mindestpreise von derzeit 43,6 Euro je Tonne auf 32,8 Euro, bis 2007/08 auf 25 Euro gesenkt werden. Ausgleichszahlungen sollen etwa 60% der Preissenkungen abgefedern. Der Interventionspreis, den die Zuckerindustrie für die Mindestpreise an die Bauern erhält, sollte der Markt eine gewisses Level unterschreiten, wird abgeschafft. Dieser hat den direkten Bezug zum Weltmarkt verloren und liegt zur Zeit mit rund 630 Euro pro Tonne mehr als dreimal so hoch wie der Zucker-Weltmarktpreis. Die europäische Exportquote für Zucker wird wahrscheinlich um ein Drittel reduziert.

Die österreichischen Rübenbauern sind ohne gestütze Preise nicht wettbewerbsfähig. Der Rübenbauernbund rechnet, dass eine heimische Bauernfamilie 3.000 bis 5.000 Euro pro Jahr verlieren wird, sollte der Kommissionsentwurf angenommen werden. Ein Viertel der Bauern, vor allem im Weinviertel und im Seewinkel, sei in ihrer Existenz bedroht, erklärte Ernst Karpfinger, Obmann der Rübenbauernbundes.

Gewinner im Norden sei in erster Linie Unternehmen wie jene der Getränkeindustrie, die Zucker "von irgendwo her" kaufen, meint Karpfinger. "Wir fordern faire Spielregeln", sagt er gegenüber der "Wiener Zeitung". Wettbewerbsverzerrung ortet er nicht durch die EU, sondern durch große Produzenten wie in Brasilien. Dort könnten "Zuckerbarone" billig und ohne bzw. mit nur geringen arbeitsrechtlichen Standards anbauen. Karpfinger: "Mit Billigproduktion können wir nie mithalten - außer in Europa würden Sozialstandards von vor 100 Jahren zugelassen".

Der Geschäftsführer des deutschen Vereins der Zuckerindustrie, Dieter Langendorf, rechnet damit, dass die europäische Zuckererzeugung von derzeit 20 Mio. Tonnen pro Jahr "um ein gutes Drittel reduziert werden muss". Von den rund 220 EU-Zuckerfabriken würden "sicher" einige rückgebaut werden müssen, meinte Langendorf.

In Österreich ist die börsenotierte Agraner hauptbetroffener Zuckererzeuger. Johann Marihart, Agrana-Vorstand, erklärte, sein Unternehmen rechne "mit hohem Rationalisierungsdruck". Ob eine der drei Agrana-Zuckerfabriken in Österreich geschlossen werden müsste, sollte die Reform wie geplant kommen, ließ er offen.