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Zuerst der Putsch, dann das Gericht

Von Klaus Huhold

Politik

Thailands gestürzte Ex-Premierministerin wird wegen umstrittener Reissubventionen angeklagt.


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Bangkok/Wien. Ihr Weg hatte sie lange Zeit steil nach oben geführt: Als jüngstes von neun Kindern absolvierte Yingluck Shinawatra zunächst ein Wirtschafts- und Politikstudium in den USA und war nachher im Firmenimperium ihres Bruders, des Selfmade-Milliardärs Thaksin Shinawatra, als Managerin tätig. Schließlich stand sie an der Spitze eines ganzen Landes, als sie vom Sommer 2011 bis Mai 2014 Thailands Premierministerin war. Doch nun wird der 47-Jährigen der Prozess gemacht. Yingluck droht eine Verurteilung zu zehn Jahren Haft, teilte das Oberste Gericht am Donnerstag mit. Sie wird angeklagt, als Premierministerin bei einem Programm zur Subventionierung von Reisbauern nachlässig gehandelt und so einen Milliardenschaden verursacht zu haben.

In dem Fall geht es aber um wesentlich mehr als um die Karriere und das persönliche Schicksal Yinglucks. Erneut tut sich ein politischer Konflikt auf, der seit Jahren für Unruhe in dem südostasiatischen Land und beliebten Touristenziel sorgt. Denn unabhängig davon, ob die Gerichte im Fall Yingluck tatsächlich so neutral agieren, wie sie betonen -ihre Entscheidungen werden politisch gedeutet. Und für die Anhänger Yinglucks ist die Anklage eine Bestätigung, dass die traditionellen Eliten eine unliebsame Politikerin mit ihrem Familienclan endgültig entmachten wollen. Bereits im Mai 2014 musste Yingluck nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes, der ihr Machtmissbrauch vorwarf, ihr Amt abgeben. Kurz darauf wurde auch die Regierung ihrer Partei Pheu Thai vom Militär gestürzt, das nach dem Putsch in Thailand regiert.

Während der Amtszeit von Yingluck kaufte die Regierung Reisbauern die Ernte weit über dem Marktwert ab. Nicht nur dass das Programm an sich umstritten war, immer wieder wurden auch Vorwürfe laut, dass Gelder nicht bei den Bauern ankamen, sondern in den Taschen von Zwischenhändlern landeten.

Die Regierung verteidigte das Programm damit, dass es der Armutsbekämpfung diene. Gleichzeitig förderte sie mit ihren Sozialmaßnahmen ihre Wählerschaft: Denn es waren vor allem die Stimmen der Landbevölkerung und der städtischen Tagelöhner, die Yingluck zur Premierministerin gemacht hatten.

Die Macht der armen Masse

Es war eine Politik, die Yingluck von ihrem Bruder Thaksin Shinawatra übernommen hatte: Auch dieser hatte vor allem mit der Masse der Armen Wahlen gewonnen. Thaksin war von 2001 bis 2006 Premier, bevor er - so wie später seine Schwester - vom Militär gestürzt wurde. Ein thailändisches Gericht hat ihn später wegen Korruption verurteilt, doch Thaksin hatte sich zuvor schon ins Exil abgesetzt. Weiterhin übt er Einfluss auf die Politik in seiner Heimat aus.

Auch nach dem Sturz Thaksins haben seine Gefolgsleute sämtliche Wahlen gewonnen. Doch jedes Mal löste das große Straßenproteste der Bangkoker Ober- und Mittelschicht aus, deren Vorwurf lautet, dass sich die Thaksin-Regierungen die Stimmen der Armen kaufen würden, um sich die Macht zu sichern und so eigenen korrupten Geschäften nachzugehen. Und jedes Mal wurden die Thaksin-Regierungen gestürzt: Entweder durch Militärputsche oder durch Gerichtsentscheide, die Gefolgsleuten von Thaksin ihre Ämter kosteten.

Laut Anhängern der Thaksin- Bewegung wird mit zweierlei Maß gemessen: Während Vertreter der Eliten, etwa Politiker der Demokratischen Partei, bei Korruptionsvorwürfen ungeschoren davonkommen würden, würde bei Thaksin-Vertrauten bei jeder sich bietenden Gelegenheit zugeschlagen. So musste etwa 2008 Premier Samak Sundaravej zurücktreten, weil er laut Richtern mit seiner Kochshow im Fernsehen gegen die Verfassung verstieß. Und Yinglucks Amtsenthebung im Mai 2014 begründete das Verfassungsgericht damit, dass sie durch eine Entlassung im Sicherheitsapparat den Weg für einen Verwandten freigemacht hatte, nationaler Polizeichef zu werden.

Proteste könnten folgen

Dass Yingluck nun zudem noch angeklagt wird, deutet auch der Großteil der politischen Beobachter als Versuch, den Thaksin-Clan endgültig ins politische Abseits zu stellen - und zwar bevor, wie vom Militär versprochen, wieder Wahlen stattfinden. Fraglich ist aber, ob sich die Anhänger der gestürzten Regierung das gefallen lassen oder, etwa durch Massenproteste, aufbegehren werden. Das Militär hat die Medienfreiheit eingeschränkt, Kritiker des Putsches müssen mit Verhaftungen rechnen - so versucht die Armee, die Ruhe im Land aufrecht zu erhalten. Doch es brodelt unter der Oberfläche, und die Anklage gegen Yingluck heizt die Stimmung unter ihren Anhängern noch einmal an.