Zum Hauptinhalt springen

Zuerst Europa, erst dann USA

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Zypern und Rumänien gegen Unabhängigkeit des Kosovo. | Auch Angebot an Serbien strittig. | Brüssel. Der Streit um die Zukunft des Kosovo überschattet das Treffen der Staats- und Regierungschefs heute, Freitag. Zwar sollen noch keine Beschlüsse über die Unabhängigkeit gefasst werden. Dagegen gibt es noch deutlichen Widerstand aus vier bis fünf Mitgliedsstaaten, und schon die Einigung auf die Unterstützung der geplanten zivilen EU-Friedensmission bereitet Kopfzerbrechen. Optionen für ein Vorgehen im Fall einer Unabhängigkeitserklärung wollen die Staats- und Regierungschefs aber bereits sondieren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

So haben die ab 1. Jänner der EU vorsitzenden Slowenen offenbar schon einen Vorschlag zur stufenweisen Anerkennung ausgefeilt: Die neue kosovarische Regierung unter Hashim Thaci soll bis nach der serbischen Präsidentenwahl am 20. Jänner mit ihrer Unabhängigkeitserklärung warten. Diese würden dann die vier größten Mitgliedsstaaten Großbritannien, Frankreich, Deutschland, und Italien innerhalb von 48 Stunden anerkennen, wie die "International Herald Tribune" enthüllte. Dem folgten zunächst die USA - diese Reihenfolge soll die europäische Verantwortung betonen und sei bereits mit Washington abgestimmt.

Dann kämen die Schweiz, Island und Norwegen vor der Türkei sowie den Westbalkanstaaten Slowenien, Kroatien, Mazedonien, Montenegro und Albanien. Den Türken folgten schließlich die restlichen 56 Staaten der Organisation der Islamischen Konferenz.

Probe für Einigkeit

Die Anerkennung durch die vier größten EU-Länder - und so viele andere wie möglich - wollen die Slowenen durch eine Erklärung der EU-Außenminister bekräftigen lassen. Spätestens dann dürfte die Einigkeit der Union eine ihrer heftigsten außenpolitischen Bewährungsproben erleben.

Weil die größten Mitgliedsstaaten an einem Strang ziehen, droht zwar nicht die Spaltung der EU wie in den 1990er-Jahren beim Zerfall Jugoslawiens. Neben Zypern haben aber zuletzt auch die Slowakei, Rumänien und Spanien ihre deutliche Skepsis gegenüber einem unabhängigen Kosovo geäußert. Auch wenn sie ihn nicht selbst anerkennen müssten, hätten sie wohl gröbste Probleme mit der geplanten EU-Erklärung, die einstimmig erfolgen müsste.

Tauziehen um Mission

Schon bei der geplanten EU-Friedensmission gibt es Widerstände aus Zypern, dem "die Intensivierung der Vorbereitungen" in den Gipfelbeschlüssen zu weit geht. Nikosia fürchtet eine indirekte Anerkennung mit möglicher Vorbildwirkung für den von der Türkei besetzten Nordteil der Insel. Rumänien wiederum will dem Kosovo, keine "europäische Perspektive" zugestehen, weil das zu sehr in Richtung Unabhängigkeit deuten könnte.

Auf der anderen Seite ist Deutschland noch nicht zufrieden mit einer Passage der Gipfelbeschlüsse, die Serbien mit beschleunigter EU-Annäherung samt Aussicht auf Kandidatenstatus winkt. Die Bedingungen dafür würden zu wenig betont, meint Berlin. Dahinter steht vor allem die in den Entwürfen nicht erwähnte aber überfällige Auslieferung des serbischen Ex-Generals Ratko Mladic an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.