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Zuerst Goma, dann Kinshasa

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik
Im Stadion von Goma mussten am frühen Morgen alle verbliebenen Polizisten antreten.
© schlindwein

Im Ostkongo schließen sich Soldaten | und Polizisten den Aufständischen an.


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Goma. Mit einem Salut begrüßt Oberstleutnant Eric Mankesi seine neuen Vorgesetzten, als die M23-Rebellenkommandeure einmarschieren. Hunderte Polizisten und Soldaten der kongolesischen Armee - teils in Zivil und teils in Uniform - haben sich am frühen Morgen im Stadion von Goma eingefunden.

Am Vortag hatte die Rebellenbewegung M23 die strategisch wichtige Millionenstadt im OstKongo nach heftigen Gefechten erobert. Die Armee hatte den Rückzug angetreten. Doch nicht alle Soldaten sind geflohen. Die meisten haben einfach ihre Uniformen ausgezogen und sich versteckt, als die Rebellen ihren Einzug feierten. Die M23 hatte diese Soldaten und Polizisten über Radio aufgefordert, am nächsten Morgen im Stadion ihre Waffen abzugeben und zur M23 überzulaufen. Oberstleutnant Mankesi hatte als ranghöchster Offizier den ganzen Morgen seine Männer gezählt, ihre Ränge in Handschrift auf Blätter notiert. Diese Liste übergibt er jetzt der M23-Kommandantur: "Es sind 2100 Soldaten und 700 Polizisten", erklärt M23-Oberst Seraphin Murindi lächelnd, "eine gute Unterstützung für uns." Oberstleutnant Mankesi zuckt seufzend mit den Schultern: "Wir haben ja keine Wahl", sagt er und befiehlt seinen Soldaten, die verbliebenen Waffen den Rebellen auszuhändigen.

Die Polizisten marschieren im Gleichschritt durch das Stadion, salutieren vor der großen Tribüne vor den M23-Kommandeuren. Rebellensprecher Oberstleutnant Vienney Kazarama tritt ans Mikrofon. Die Menge jubelt ihm zu, während er seine Siegesrede hält. Er wettert über die allgegenwärtige Korruption der Politiker und der Generäle, das Versagen der Regierung in der fernen Hauptstadt Kinshasa. Doch das alles soll schon bald Vergangenheit sein. "Die Reise zur Befreiung des Kongos hat soeben begonnen", verkündet Kazarama. "Wir werden nun nach Bukavu und Kisangani marschieren und dann bis Kinshasa." Präsident Joseph Kabila müsse abtreten und "uns unser Land zurückgeben", schließt der Oberstleutnant. Die Menge jubelt.

UN-Truppen patrouillieren

Blaize Ciza schlendert nach der Ansprache aus dem Stadion. Er ist extra hergekommen, um sich anzuhören, was die neuen Herrscher von Goma vorhaben. "Nun, es sind zumindest Rebellen mit einer Vision und Ideologie", zuckt er mit den Schultern. Er sei überrascht, dass es während der Nacht keine Plünderungen gegeben habe und die M23 zumindest vorerst Sicherheit garantiere. "Wir Menschen hier haben ja keine Wahl, wir müssen akzeptieren, wer auch immer hier die Herrschaft übernimmt", seufzt er.

Während die Rebellen im Stadion ihre Propaganda verbreiten, kehrt langsam ein wenig normales Leben in die Millionenstadt zurück. Tagelang waren während der Gefechte alle Geschäfte geschlossen, die Menschen verkrochen sich in ihren Häusern. Nach und nach öffnen an diesem Morgen einige Läden, die Leute wandern herum, um Lebensmittel zu kaufen. Auch die UNO, die dem Vorstoß der Rebellen am Dienstag wenig bis keinen Widerstand entgegengesetzt hat, patrouilliert wieder durch die Straßen. Schulen und Behörden sind jedoch immer noch geschlossen. Die M23 hat jedoch angekündigt, dass sie sobald wie möglich eine Verwaltung einsetzt, damit das normale Leben weitergehen könne.