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Zufalls-Banalität?

Von David Axmann

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Viele wollen von der ganzen Nazi-Vergangenheit nichts mehr wissen, aus welchen Gründen auch immer. Manche hingegen streben danach, ihr Wissen um diese Zeit ständig zu vertiefen, weil sie restlos verstehen wollen, wie es dazu kommen konnte, weil sie endlich begreifen wollen, wieso das alles geschehen ist.

Sie wollte, schrieb die Phi losophin Hannah Arendt über ihr Motiv, vom Prozess gegen Adolf Eichmann 1961 in Jerusalem für die Zeitschrift "New Yorker" zu berichten, "partout wissen, wie einer aussieht, der ,radikal Böses getan hat; und gelernt habe ich, dass das Böse eher ein Oberflächenphänomen" ist.

Arendts bekannter Definition, dass Eichmann die "Banalität des Bösen" repräsentiere, widerspricht der britische Historiker David Cesarani in seiner kürzlich erschienenen Eichmann-Biografie, die Mittwochabend in der Ö1-Sendung "Dimensionen" vorgestellt wurde.

Der Schlüssel zum Verständnis dieses Managers der Judenvernichtung liege, behauptet Cesarani, nicht so sehr in dessen Person, als vielmehr in den weltanschaulichen Ideen, von denen er besessen war. Der aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Eichmann sei eher zufällig mit der "Judenfrage" befasst worden und habe keineswegs eine Disposition zum Massenmörder gehabt.

Also handelt es sich hier eher um die Banalität des Zufalls? Können wir, wenn es denn so wäre, Eichmanns Tun jetzt besser, jetzt endlich ganz verstehen? Vermutlich nicht. Und selbst wenn wir´s verstünden, bliebe es unfassbar.