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Deutschlands Kanzlerin will innenpolitisch Tatendrang demonstrieren. | Koalitionsvertrag soll Konkretisierung erfahren. | Berlin. (dpa) Sie war beileibe keine Liebesheirat, diese große Koalition. Als "Lebensabschnittspartnerschaft" hatte Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sie gleich zu Beginn charakterisiert. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verwendet den Begriff mittlerweile.
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Die schwarz-rote Bundesregierung ist eine Gruppe, die - wie ein Regierungsmitglied sagt - eher "aus den Zufällen des Lebens geboren wurde". Und darum geht es der Kanzlerin bei der ersten Kabinettsklausur am Montag und heute, Dienstag, in Schloss Genshagen südlich von Berlin nicht nur um konkrete Beschlüsse, sondern auch um die Pflege des Zwischenmenschlichen. Wenn Genshagen funktioniert, wird das Kabinett in dem stattlichen Anwesen Teamgeist entwickeln.
Außerhalb der zeitlichen Zwänge einer regulären Kabinettssitzung sollen die Minister einander zuhören und Ressort übergreifend diskutieren. Gegenseitiges Verständnis soll sich bilden.
Koalition zwischen Samtpfoten und Krallen
Einerseits starten die Parteien in die Landtagswahlkämpfe in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Andererseits wollen Kanzlerin und Vizekanzler den Zusammenhalt der Regierung fördern. Ein Spagat. "Beides - Harmoniestreben und die Lust am politischen Wettstreit - muss jeden Tag ins Gleichgewicht gebracht werden", sagt Merkel.
Natürlich will die neue Regierung auch Beschlüsse fassen. Nach ihren ersten außenpolitischen Erfolgen will Merkel innenpolitisch Tatendrang beweisen. Und die SPD-Minister haben ein Interesse daran, nun nicht der Kanzlerin allein die Show zu überlassen.
Ganz oben auf der Tagesordnung steht die weitere Konkretisierung des im Koalitionsvertrag vorgesehenen 25-Milliarden-Programms, mit dem bis zum Ende der Legislaturperiode die Wirtschaft angekurbelt werden soll.
Mit der Zahl 25 Milliarden hatten Union und SPD im Dezember zunächst den Finanzierungsbedarf des Bundes in den kommenden Jahren umrissen. Wenn aber zum Beispiel die Abschreibungsregeln für die Unternehmen verbessert werden, betrifft dies auch die Länder, da sich dann deren Einnahmen aus den Einkommen- und Unternehmenssteuern vermindern. Würde man diesen Länderanteil hinzurechnen, käme unter dem Strich vielleicht ein größerer Betrag als 25 Milliarden Euro heraus.
Bemühen um rechtlich gedeckten Haushalt
Dass das Kabinett darüber hinaus beschließen wird, noch mehr als die ursprünglichen 25 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, ist eher unwahrscheinlich. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hat sich schon dagegen ausgesprochen. Denn jeder Euro mehr müsste auch gegenfinanziert werden.
Zusätzliche Ausgaben würden das ehrgeizige Ziel weiter erschweren, von 2007 an verfassungsgemäße Haushalte vorzulegen. Diese Absicht soll in Genshagen noch einmal unterstrichen werden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wollte über den Bundeshaushalt 2006 referieren. Die Auseinandersetzung in der Runde wird sich eher darum drehen, wie die 25 Milliarden verteilt werden. Eine Lösung zeichnete sich bei den Steuerrabatten für Kinderbetreuungskosten und den Kombilöhnen ab. Weitere Gelder sollen in die Forschung oder in Verkehrsinvestitionen fließen. Die Streitthemen der vergangenen Tage, wie die Energiepolitik sollen dagegen keine zentrale Rolle spielen. Immerhin wollen die Koalitionäre aber das weitere Vorgehen abstimmen. Die nächste Klausur folgt bestimmt.