Zeitweise dürfte die Menschheit nur noch wenige hundert Erwachsene gezählt haben.
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Berlin. Die Wiege der Menschheit stand vor vielleicht 200.000 Jahren in Afrika, darüber sind sich Frühmenschenforscher erstaunlich einig. Bis zur modernen Zivilisation des 21. Jahrhunderts aber musste diese Art Homo sapiens noch einige Klippen überwinden. Die Spur der schwersten Krise finden Wissenschafter im Erbgut heute lebender Menschen. Dort sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Individuen viel geringer als bei anderen Arten.
Daraus folgern Molekularbiologen, dass die junge Menschheit irgendwann nur noch aus allenfalls wenigen hundert Erwachsenen bestand. Eine Katastrophe scheint die Art fast ausgelöscht zu haben, viele Forscher vermuten die kältesten Phasen der Eiszeit dahinter. Die wenigen Überlebenden könnten an den Küsten des Indischen Ozeans weit im Süden Afrikas Zuflucht gefunden haben, spekuliert Curtis Marean von der Arizona State University in Tempe (USA).
Das Eiszeitklima im Norden Amerikas und Europas hatte damals auch in weiten Teilen Afrikas die Niederschläge reduziert, und es gab oft lange Dürreperioden, in denen die Menschen dort zu verhungern drohten. An der Küste im heutigen Südafrika wuchs dagegen die gleiche üppige Vegetation, die noch heute für die Region um Kapstadt typisch ist. Bei Ebbe holten die Menschen Muscheln, Meeresschnecken und Krebse von der Küste, um ihre Speisekarte zu ergänzen, nennt Curtis Marean zwei gute Gründe, die für ein "Überwintern" der jungen Menschheit an der Küste von Südafrika sprechen. "Die Eiweiße dieser Meerestiere sind für die Ernährung sehr wertvoll", ergänzt der Spezialist für die Ernährung von Frühmenschen Ottmar Kullmer vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt am Main.
Als Curtis Marean im Jahr 2000 aber an der Landzunge Pinnacle Point in Südafrika eine Höhle genau untersuchte, fand er dort die Schalen von Meeresschnecken und Miesmuscheln, die dort seit 164.000 Jahren lagen. Die Höhle lag so hoch über dem Wasserspiegel, dass Wellen keine Reste von Meerestieren hineintragen konnten. Gegen Vögel als Transporteure, die sich dort einen Muschelteller gönnten, spricht ein weiterer Fund. Marean entdeckte dort auch etliche Steinklingen, die in einem aufwendigem Prozess hergestellt wurden: Der Stein muss gleichmäßig auf 350 Grad Celsius erhitzt werden und langsam abkühlen, nur dann kann man daraus brauchbare Steinklingen schlagen. Da Vögel zwar Muscheln in Höhlen schleppen können, aber dort keine Feuer unterhalten, waren Menschen die Hersteller der Klingen und Genießer der Muscheln, ist sich Marean sicher. Diesen komplizierten Prozess der Werkzeugherstellung an die nächste Generation weiterzugeben sei ohne Sprache kaum vorstellbar, meint der Forscher. Zudem hatten die Menschen schon vor 164.000 Jahren eine künstlerische Ader. Marean und seine Kollegen fanden in der Höhle Ocker aus jener Zeit, der mit dem Fett von Tieren gemischt eine rote Farbe gab. Damit konnte man nicht nur Gegenstände, sondern auch Körper von Menschen verzieren.
Die Kultur an der Südküste Afrikas dürfte bereits vor mehr als 100.000 Jahren eine Stufe erreicht haben, die Forscher bisher allenfalls den Menschen in Europa vor 45.000 Jahren zugetraut hatten. Ob diese fortschrittliche Steinzeitkultur auch ein Hinweis auf das Überwintern der vom Aussterben bedrohten Menschheit war, die dort eine Zuflucht vor schwierigen Klimabedingungen gefunden hatten, bleibt aber erst einmal Spekulation. Die allerdings von einigen Indizien untermauert wird.
Gekochtes Gemüse
So gab es im tropischen Afrika vor 135.000 bis vor 90.000 Jahren etliche extreme Dürrezeiten. Andrew Cohen von der University of Arizona in Tucson und seine Kollegen zeigen, dass damals der Malawi-See, mit 29.600 Quadratkilometern der neuntgrößte See der Erde, nahezu austrocknete. Weit im Süden Afrikas aber zeichnen Pollenanalysen ein ganz anderes Bild. Dort wächst und wuchs damals wie heute die extrem artenreiche Kapflora. Das Gemüse wurde wahrscheinlich gekocht, denn das Feuer beherrschten die Menschen in der Gegend bereits vor 164.000 Jahren, wie die raffinierte Klingenherstellung in dieser Zeit zeigt. Zusätzlich bringt der kalte Benguela-Strom nährstoffreiches Wasser aus dem Südatlantik in die Gewässer vor der Südküste Afrikas. Die Überlebenschancen dort waren offenbar viel besser als in den Halbwüsten um den Malawi-See.