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Zug fährt ab

Von Stefan Melichar

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Was macht ein Supermarktverkäufer, der sich einem Kundenansturm ausgesetzt sieht? Zumindest ruft er nicht die Polizei, wie das die ÖBB ausgerechnet am ersten Ferientag zwecks Räumung eines - mit zahlenden Fahrgästen - überfüllten Zuges getan haben.

Zugegeben, der Vergleich hinkt: Schließlich muss die Bahn besondere Sicherheitsbestimmungen einhalten. Angeblich waren auch ein paar Querulanten unter den Betroffenen - und man hätte ja brav eine halbe Stunde auf den nächsten Zug warten können. Auch falls es nur ein unglücklicher Einzelfall gewesen wäre, der schale Nachgeschmack verstärkt sich angesichts einer weiteren Begebenheit: Auf einer Schnellbahnstrecke im Großraum Wien kam es unlängst zu einem Oberleitungsschaden. Ein Zug konnte die Station nicht mehr verlassen, die Passagiere wurden zum Busbahnhof gebeten. Während sie dort noch auf eine Transportmöglichkeit warteten, war das Gebrechen behoben, der Zug schloss die Türen und fuhr ohne Fahrgäste weiter.

Zufällig ist just auf dieser Strecke ein Zweitanbieter unterwegs. Nach einem kurzen Telefonat ließ der Schaffner dieses Zuges die ÖBB-Kunden einsteigen und ohne Aufzahlung mitfahren - ein riesiger Imagegewinn ohne jeden Aufwand.

Österreich sei auf dem Weg zu einer Dienstleistungsgesellschaft, hat Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner am Freitag wieder bekräftigt. Nun, manche sind dem Ziel näher als andere. Einerseits stehen in gewissen Bereichen bürokratische Strukturen der Kundennähe im Weg. (Wahrscheinlich durften - zum Beispiel - die ÖBB-Mitarbeiter in den obigen Fällen gar nicht anders handeln.) Doch auch die Grundhaltung, dass Unternehmen - in bestimmten Zusammenhängen - vor dem Kundenwillen geschützt werden sollen, geht weit über die Bahn hinaus. Das zeigt vor allem die ewige Debatte zur Sonntagsöffnung.