)
Spannung vor Verhandlungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Mit größter Spannung wird die nächste Verhandlungsrunde zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn am Montag erwartet. Vom Ergebnis wird abhängen, ob es zu weiteren Arbeitsniederlegungen kommt, die sowohl für den Personenals vor allem für den Güterverkehr auf der Schiene bedrohlich werden könnten.
Beide Seiten arbeiten mit allen nur denkbaren Tricks. So legten die Lokführer in der Vorwoche mit dem größten Streik in der Bahngeschichte Personen- und Güterverkehr lahm. Im Gegenzug schloss Bahnchef Hartmut Mehdorn einen attraktiven Tarifvertrag mit den beiden anderen Bahngewerkschaften, Transnet und GDBA, ab.
Vordergründig geht es um eine Gehaltserhöhung für die Lokführer sowie um einen eigenständigen Tarifvertrag. In beiden Fragen scheinen sich inzwischen Kompromisse anzudeuten. Aber im Hintergrund spielen persönliche, wirtschaftliche, politische, gewerkschaftliche und Machtfragen die eigentlich entscheidende Rolle.
Der "schwarze" GDL-Chef Manfred Schell und der "rote" Hartmut Mehdorn stehen einander wie Kampfhähne gegenüber, an denen alle Moderationsversuche scheiterten. Die GDL will mit ihrer harten Linie den anderen Gewerkschaften Mitglieder abluchsen; sie ist deshalb zum Erfolg verurteilt. Einen Erfolg, den Mehdorn seinem Kontrahenten nicht gönnt, zumal er die Bahn bei künftigen Tarifverhandlungen in die schwächere Position manövrieren würde.
Der Schachzug Mehdorns, noch vor der entscheidenden Pokerrunde mit Schells Konkurrenten einen weiteren Tarifvertrag abzuschließen, nachdem die bereits mit der letzten Gehaltsrunde befriedet waren, ist taktisch zwar geschickt, verschärft aber das ohnehin raue Klima erheblich: Schell sieht sich nun an die Wand gedrückt, weil er die gewerkschaftliche Solidarität belasten würde, wenn er weiter stur bliebe. Entgegen den Schweigevereinbarungen hatte Mehdorn verlauten lassen, dass die GDL einen eigenen Tarifvertrag bekommen werde; postwendend bezeichnete dies der GDL-Chef als "Mogelpackung".