Wirtschaftlicher Nationalismus auf allen Kontinenten. | Regierungen setzen auf Populismus. | Kein Nutzen für die Volkswirtschaft. | Wien. "Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet." Gemessen an diesem Ausspruch des früheren deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau agieren Regierungen in den USA, Europa und Asien derzeit offen nationalistisch, wenn es um Firmenübernahmen durch das Ausland geht auch, wenn sich die Akteure selbst lieber als Patrioten bezeichnen.
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Die USA geben dabei keine gute Figur ab. Im Sommer des Vorjahres gab die China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) ein Übernahmeangebot im Wert von 18,5 Milliarden Dollar für die kalifornische Ölfirma Unocal ab. Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung im US-Kongress. CNOOC zog daraufhin das Angebot zurück. Die Unocal-Aktionäre mussten ein niedrigeres Übernahmeangebot von Chevron annehmen.
Jetzt, ein paar Monate später, machen die USA klar, dass auch Araber als Eigentümer nicht gerne gesehen sind. Die in Dubai ansässige Firma DP World will das britische Unternehmen P&O kaufen, dass auch sechs amerikanische Häfen betreibt. Der Kongress legt sich quer und verlangt eine strenge Prüfung des Deals.
Festung Europa
In Europa ist die Lage keinesfalls besser. Besonders nationalistisch zeigen sich die Franzosen. Als heuer der italienische Stromkonzern Enel laut darüber nachdenkt, das französische Wasser- und Energieversorgungsunternehmen Suez zu übernehmen, reagiert Premierminister Dominique de Villepin prompt und arrangiert eine Fusion der privaten Suez mit dem staatlichen Gasversorger Gaz de France. Einziger Zweck: die Verhinderung der Übernahme durch die Enel. Frankreich steht auch gemeinsam mit den Regierungen Luxemburgs und Belgien an vorderster Front im Kampf gegen die Übernahme des in den drei Ländern beheimateten Stahlkonzernes Arcelor durch das indische Stahlunternehmen Mittal. Und im Sommer 2005, nach Gerüchten, dass Pepsi den französischen Lebensmittelkonzern Danone kaufen könnte, legte Frankreich eine Liste mit 11 Sektoren vor, in denen es aus strategischen Gründen Übernahmen blockieren will. Die Liste wird derzeit von der EU geprüft.
Spanien und Polen
Auch in Spanien feiert der Wirtschaftsnationalismus derzeit ein Revival. Die Regierung versucht, eine Übernahme des spanischen Energieversorgers Endesa durch die deutsche E.ON zu verhindern. Dasselbe Bild in Polen: Die polnische Regierung blockiert seit Monaten die Fusion einer Tochter der bayrischen Hypovereinsbank mit einer Tochter der Unicredit. Der Grund: die fusionierte, ausländische Bank wäre die größte im Land größer als die staatliche PKOBP. Aber auch in Asien findet man Wirtschaftsnationalismus: In Südkorea findet derzeit eine heftige politische Debatte statt, weil eine Gruppe amerikanischer Hedge-Fonds den ehemals im Staatsbesitz befindlichen, größten koreanischen Tabakkonzern KT&G übernehmen will.
Mehr Übernahmen
Ein Grund für den aufflammenden Protektionismus in Europa ist, dass die Zahl der Übernahmen seit 2002 kontinuierlich zunimmt (siehe nebenstehende Grafik). Die Logik hinter dem neuen Wirtschaftsnationalismus ist eigentlich eine marxistische: Wer das Eigentum hat, hat die Macht. Was allerdings gegen diese Logik spricht, ist das Beispiel Großbritannien. Dort gibt es keinen Wirtschaftsnationalismus. Große Teile der Energie- und Wasserversorgung befinden sich im Eigentum französischer und deutscher Firmen. Den Engländern scheint es deshalb nicht schlechter zu gehen als den Franzosen und Deutschen. Das mag daran liegen, dass Gesetze und wirtschaftliche Zwänge für alle Eigentümer gleichermaßen gelten unabhängig von der Nationalität.