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Zügig zum Wahlerfolg mit Holperstrecken

Von Karl Ettinger und Martina Madner

Politik
Kogler im Zug - ein Bild, die zum grünen Kernthema, dem Klimaschutz perfekt passt.
© Cajetan Perwein

Die Ibiza-Affäre scheint die Wahlkampfstrategien aller Parteien kräftig durchzurütteln - bis auf jene der Grünen.


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Wien. Wenn Werner Kogler Interviews gibt, macht er das dieser Tage häufig in der Bahn - so wie mit Rosemarie Schwaiger vom "Profil" zum Beispiel Anfang August. Passend ging es gleich mal ums Bahnfahren, das Klima, dessen Krise, den CO2-Ausstoß und Steuern darauf, Biolandwirtschaft - also ein Kernthema der Grünen nach dem anderen.

Den grünen Wahlkampfmanager Thimo Fiesel muss das - trotz kritischer Fragen - gefreut haben: Werner Kogler hat breiten Raum erhalten, sich und die inhaltlichen Positionen der Grünen zu präsentieren. Ist ein Spitzenpolitiker der Grünen, der Interviews im Zug gibt, zu viel an Inszenierung oder langweilig? Laut Fiesel ist es einfach praktisch: "Das hat wenig mit Inszenierung zu tun. Werner Kogler verbringt Stunden im Zug, und da macht es Sinn, diese Zeit zu nutzen", sagt er auch.

Trotzdem: Das Thema der Grünen, der Klimaschutz, ist glaubwürdig gesetzt, den Wählern offenbar auch wichtig. Ein Erfolg für den Wahlkampfmanager, dem ein weiterer - und zwar möglichst viele Stimmen bei Wahlen - folgen sollen. Bis dahin haben neben Fiesel Karl Nehammer bei der ÖVP, Christian Deutsch als ebensolcher für die SPÖ, Nikola Donig für die Neos, Herta Emmer für die Liste Jetzt und bei der FPÖ gleich ein Triumvirat als Wahlkampfmanager alle Hände voll zu tun.

Strategische Überlegungen

Worauf kommt es dabei an? Gerda Füricht-Fiegl, Politikwissenschafterin und Lehrgangsleiterin für politische Kommunikation an der Donau-Universität in Krems, sagt: "Das Kernelement ist ausgefeilte und gut überlegte Strategie." Das Management habe die Wahl zwischen einer Fokussierung auf Spitzenkandidaten oder Themen: "In Österreich waren Parteien in den vergangenen Jahren eher mit Themen sehr erfolgreich. Es gibt aber auch Ausreißer". Die beste Strategie aber stelle eine optimale Koppelung zwischen Thema und Person her, das Thema sei optimalerweise nicht von einer anderen Partei besetzt ist, "eines das noch keiner in der Hand hat, ein Kernthema oder eines, das quasi auf der Straße liegt". Denn eines des Mitbewerbers koste mehr Zeit, Ressourcen, also auch Geld.

Die Analysen der Wahlmotive von Sora zur EU-Wahl im Auftrag des ORF bestätigen Füricht-Fiegls Einschätzung: Als Hauptgrund für die Wahlentscheidung nannten die Wähler aller Parteien deren inhaltlichen Standpunkte. Besonders deutlich war es bei den Grünen mit 47 Prozent, wo Werner Kogler als Spitzenkandidat nur für drei Prozent entscheidend war. Martina Zandonella, die bei Sora für die Wahltagsbefragung verantwortlich ist, überrascht das nicht: "Bei den Grünwählern sind immer Umwelt- und Klimaschutz ganz weit vorne bei den Motiven. Das sind Themen, die tief in der Partei und deren Wählern drinnen sind. Da kommt es nicht darauf an, wer sie transportiert." Fiesel nennt dazu noch Transparenz, den Kampf gegen Korruption sowie Klimaschutz in Kombination mit sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen. In allen Punkten sei Kogler glaubwürdig, meint er und wirkt zufrieden.

Nur bei der ÖVP lagen Inhalte und österreichischer Spitzenkandidat mit 18 Prozent als Wahlmotive gleichauf. Neben Othmar Karas punktete die Partei bei weiteren 13 Prozent aber auch mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz, die ihn als Hauptgrund nannten, die Volkspartei zu wählen.

Fokus auf eine Person

Genau dieser war auch schon 2017 der von Füricht-Fiegl genannte "Ausreißer". Denn laut Sora lag bei der SPÖ das Verhältnis zwischen Inhalten und Spitzenkandidaten bei 22 zu 20 Prozent, bei der FPÖ gar bei 34 zu fünf Prozent - bei der ÖVP aber bei 15 zu 42 Prozent. "Das ist neu mit Sebastian Kurz gekommen", sagt die Psychologin und Sora-Forscherin Zandonella - der klare Fokus auf eine Person.

Es scheint auch diesmal zu funktionieren. ÖVP-Wahlkampfleiter Karl Nehammer, zugleich Generalsekretär, hat ein Luxusproblem: In Umfragen liegen die Türkisen dank Kurz seit Wochen unangefochten auf Platz eins und mit rund 35 Prozent über dem Ergebnis der Nationalratswahl vom Oktober 2017 mit 31,5 Prozent.

Genau darin sehen die Strategen der ÖVP aber die Gefahr, dass so mancher Wähler den Eindruck bekommt, der Wahlerfolg am 29. September sei bereits eingefahren und gehen nicht zur Wahl. Deswegen wird die Botschaft betont, gute Stimmung sei das eine, aber es müsse jeder auch seine Stimme für Kurz abgeben.

Trotz des ÖVP-Erfolges 2017 ist im heurigen Nationalratswahlkampf so manches anders. Während man damals auf pompös inszenierte Massenveranstaltungen setzte, wird Kurz nach einer Sommertour gerade auch in diesen Tagen zu Gesprächen mit der Bevölkerung in die Bundesländer ohne großen Bus geschickt, am Samstag etwa nach Niederösterreich. Noch etwas ist anders. Um Kritik, die ÖVP sei zu wirtschaftsfreundlich den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurden schon in den vergangenen Monaten betont soziale Akzente gesetzt.

Vielfalt oder Beliebigkeit?

Inhaltlich setzt die SPÖ auf "Menschlichkeit", leistbares Wohnen, Gesundheitsversorgung und Maßnahmen gegen die Klimakrise. "Arbeit", das klassischste aller SPÖ-Themen hätte Christian Deutsch in der Aufzählung beinahe vergessen. Die Spitzenkandidatin verkörpere all das, sagt Deutsch, "ehrlich und glaubwürdig". Im Wahlkampf war Pamela Rendi-Wagner aber auch schon beim Bügeln oder im Dirndl als Dirigentin zu sehen. Deutsch glaubt nicht, dass dies ihre Glaubwürdigkeit unterwandert - sondern dazu gehört.

Die Neos um Nikola Donig setzen trotzdem nicht auf ein Thema, sondern auf einen ganzen Strauß voll - von "A wie Anstand bis Z wie Zukunft", sagt er. In der Aufzählung sind sichere Pensionen genauso dabei wie Klimaschutz, Rechtsstaat, Recht auf Kinderbetreuung. Auf die Frage nach dem Neos-Alleinstellungsmerkmal verweist er auf den Slogan "Macht sonst keiner". Aber zu den genannten Themen machten doch einige Parteien etwas? Donig: "Die Neos sind die transparentesten, die progressivsten, radikalsten."

Und die FPÖ? Die braucht sich im Moment weniger um ihr Kernthema, die Zuwanderung, zu kümmern. Das Thema "Fortsetzung des strengen Kurses gegenüber Flüchtlingen", das bei Weitem nicht mehr den Stellenwert wie 2017 hat, ist für das Team um Obmann Norbert Hofer neben den Justizermittlungen wegen des Ibiza-Videos und der Postenbesetzung bei den Casinos Austria untergegangen. Bei jetzigen Hype um Klimaschutzfragen tut sich die FPÖ schwer..

Hofer setzt im Gegensatz zu den anderen fünf Parlamentsparteien auf ein blaues Triumvirat: auf die beiden Generalsekretäre Christian Hafenecker und den langgedienten "Mann fürs Grobe", Harald Vilimsky, für die inhaltlichen Fragen. Dazu kommt als Dritter Bundesgeschäftsführer Joachim Stampfer.

Heute, Freitag, wird die FPÖ ihr erstes Plakat vorstellen. Auf diesem wird neben Hofer Ex-Innenminister Herbert Kickl zu sehen sein. Dieser hat mit seinen scharfen Angriffen auf den abgesprungenen Regierungspartner ÖVP schon bisher die Rolle des Scharfmachers eingenommen.

Ibiza rüttelt Strategien durch

Skandale wie die Ibiza-Affäre um Ex-FPÖ-Chef Strache, bei der die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, sind generell zu massiv, um vom eigenen Thema, bei der FPÖ klassischerweise Zuwanderung, ablenken zu können.

Aber auch hier gibt es Strategien aus der Krisenkommunikation, die wie die vergleichsweise recht stabilen FPÖ-Werte von rund 20 Prozent zeigen, erfolgreich sein können. "Ibiza ist zwar ein Supergau, der FPÖ ist es aber offensichtlich bislang gelungen, sich als Opfer zu präsentieren", eine Strategie, die die Partei auch bei vergangenen Problemen erfolgreich umgesetzt hat. Das Dilemma für andere Parteien dabei sei nun, dass "man mit Hinweisen auf die Ibiza-FPÖ genau dieser Strategie nur noch mehr Futter gibt", meint Füricht-Fiegl.

Die Liste Jetzt unterscheidet sich in einem klar: eine Regierungsbeteiligung wird nicht angestrebt, sondern die Oppositionsrolle. "Österreich braucht eine ganz starke Opposition", betont Herta Emmer, Wahlkampfmanagerin der Liste Jetzt, die 2017 auf Anhieb mit Listengründer Peter Pilz den Sprung ins Hohe Haus geschafft hat. "Kontrolle" lautet die Parole. Es brauche eine Oppositionspartei, die den Mut habe, Themen wie die Ibiza-Affäre aufzuzeigen und gegen das "System Kurz" vorzugehen, sagt sie.

Die Umfragen sind bezüglich eines Wiedereinzugs in den Nationalrat wenig verheißungsvoll, zu sehr standen seit dem Herbst 2017 interne Personalfragen im Vordergrund. Wahlkampferfahrung hat sie bei den Grünen im Burgenland bis 2007 gesammelt. Geld fehlt. Deswegen wird wieder auf Plakate verzichtet, man setzt auf das eigene Online-Medium.

SPÖ-Wahlkampfleiter Deutsch sieht Ibiza anders: "Wir bezeichnen die vergangene Regierung als Ibiza-Koalition, weil sich Kurz den Vorwurf machen lassen muss, sich diesen Partner geholt zu haben." Dass sie diese Koalition fortsetzen wollen, hält Deutsch für gefährlich. Außerdem zeigten seine internen Umfragen seit Juli einen Trendwechsel, "mit der ÖVP geht es seither bergab, mit der SPÖ bergauf".