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"Zuhause sowieso nichts zu tun"

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Politik

Vor allem gut ausgebildete Griechen trieb die Krise ins reichere EU-Ausland.


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Berlin. Gäbe es zuhause eine Perspektive, Vasilis wäre wohl nicht mehr in Deutschland. Der 30-Jährige ist vor einem Jahr nach Berlin gekommen, seine Freundin war bereits hier. Vasilis hat in Griechenland als Ingenieur gearbeitet. In Berlin sucht er seit vier Monaten Arbeit. Davor hat er einen Deutschkurs besucht. "Eine vernünftige Arbeit mit gutem Einkommen in Berlin zu finden, ist schwer", sagt Vasilis Freundin. Viel düsterer sieht ihre Prognose aber für den griechischen Arbeitsmarkt aus: So schnell werde sich an der Situation nichts ändern.

Rund 30.000 Griechen sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen - fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Es sind vor allem junge Menschen, meist Akademiker, die ihr Glück versuchen "ohne einen bestimmten Plan, da sie in Griechenland sowieso nichts zu tun haben", wie Giannis sagt. "In Griechenland sind jetzt fast alle meine gleichaltrigen Bekannten und Freunde ohne Job oder verdienen sehr, sehr wenig." Giannis ist seit 2004 in Berlin, er hat hier studiert und wird bleiben. Auch er sieht keine Perspektive in der Heimat.

So landen viele gut ausgebildete Griechen in Deutschland. Anders als in den 1950ern und 1960ern, als die Bundesrepublik sogenannte Gastarbeiter anwarb, bleiben etliche der griechischen Migranten heute ohne Arbeit. Die Einrichtung "Zentrale Auslands- und Fachvermittlung" (ZAV) des deutschen Arbeitsamtes sucht zwar zurzeit auch besonders in Griechenland, Spanien und Portugal Fachkräfte für deutsche Unternehmen - doch die Anforderungen seien "sehr hoch und sehr speziell", wie Marion Rang von der ZAV erläutert: Frisch von der Uni zu kommen reiche auf keinen Fall. Zudem würde vor allem für ländliche Regionen in Bayern und Baden-Württemberg gesucht, das passe mit der Lebensvorstellung der jungen Menschen auch nicht immer zusammen.

Das neue Leben in Berlin beginnt deshalb meist mit Hilfe von Freunden, die bereits da sind. Hier bekommt man erste Tipps, oft auch eine Schlafstätte. Denn auch eine Wohnung zu finden, ist gar nicht so einfach: Immer wieder äußern Vermieter besondere Vorbehalte gegenüber Griechen. Wer gar nicht mehr weiter weiß, wendet sich an Vereine wie "Exantas". Kostas Pavasiliou von der griechischen Botschaft berichtet von Unmengen an E-Mails, die man erhalte. Manche kämen auch gleich in der Botschaft vorbei, um zu fragen, wo sie Deutsch lernen könnten oder Arbeit bekämen. "Wir können da leider nichts machen", sagte Pavasiliou. Einzig eine Liste gebe es mit den griechischen Unternehmen und Restaurantbetreibern in Deutschland, die verborge man zum Kopieren. So versuchen etliche, zunächst einmal im Betrieb eines Landsmannes unterzukommen.

Dass die Konkurrenz gerade in einer Stadt wie Berlin, die viele junge Menschen aus ganz Europa anzieht, groß ist, ist Sotiris Psathas bewusst. Der 28-jährige Jurist hat in Griechenland bereits zwei Jahre lang als Anwalt gearbeitet. In Berlin sucht er nach Arbeit: "Ich schicke fast täglich eine Bewerbung ab." In Berlin leben wollte der Jurist schon seit längerem. Vor eineinhalb Jahren zog er dann tatsächlich um. In der ersten Zeit half ihm die Bundesagentur für Arbeit.

Das ist nicht bei allen Auswanderern so. Allgemein gilt die Faustregel: Wer nach Deutschland kommt, um hier Arbeit zu suchen, wird finanziell nicht unterstützt. Entschieden wird schließlich von Fall zu Fall. Sotiris Psathas hat bereits darüber nachgedacht, wieder nach Griechenland zurückzugehen. "Doch im Moment ist Griechenland wie eine verschlossene Tür", sagt er. "Junge Griechen wurden gezwungen, ihre Lebenspläne zu ändern wegen einer Krise die absolut nicht ihre Schuld ist."Seite 26