Quantencomputer könnten Dinge errechnen, die erst später stattfinden.
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Wien. Lichtteilchen, die über einen Fluss gebeamt werden, und Atome, die im Gleichschritt schwingen: Die Welt der kleinsten Teilchen gehorcht anderen Regeln als die Welt der Materie. Neueste Erkenntnisse der Quantenphysik beflügeln sogar Fantasien, dass der Mensch in Zukunft in seine eigene Geschichte eingreifen könnte - vorausgesetzt, er erfindet die geeigneten Geräte dazu.
Wiener Quantenphysiker haben nachgewiesen, dass zukünftige Handlungen Einfluss nehmen können auf vergangene Ereignisse. Sie haben zu diesem Zweck ein Gedankenexperiment aus dem Jahr 2000 des israelischen Physikers Asher Peres (1934-2005) verwirklicht, eines Pioniers der Quanteninformationstheorie.
Maß für die kleinste Einheit
Vom Lateinischen "quantum?" kommend für "wie viel?", ist das Quantum das Maß für die kleinste Einheit - etwa des Lichts oder der Energie. Quanten sind zu Phänomenen fähig, die in der klassischen Physik nicht beobachtet werden können. Im Unterschied zu größeren Elementen haben die kleinsten Teilchen keine Wechselwirkung mit ihrer Umwelt. So durchqueren Millionen von Neutrinos ständig unsere Körper, ohne dass wir es merken, oder durchdringt das Licht der Sterne in Form von Photonen das Universum. Die Quanten können dabei mehrere Eigenschaften gleichzeitig annehmen oder sich an zwei Orten gleichzeitig befinden - ein bisschen, als zeigte eine Münze zugleich Kopf und Zahl. Größere Teilchen (etwa Ansammlungen von Molekülen) können das nicht. Denn sobald eine Wechselwirkung stattfindet - etwa mit der Luft, der Erdanziehungskraft oder sich selbst -, legen sich die Teilchen in ihren Eigenschaften fest. Übersetzt könnte man sagen: Sobald sie gefragt werden, was sie sind, werden sie automatisch entweder Kopf oder Zahl.
Rund 50 Jahre hat es gedauert, bis Quanten-Phänomene bei Neutrinos oder Photonen messbar wurden. Jüngst wurden sie auch an Atomen beobachtet. Derzeit suchen Physiker nach der Grenze für die seltsamen Quanten-Phänomene, die erst durch die Messung sichtbar werden. Zu ihnen zählt auch die Verschränkung, bei der zwei Teilchen über beliebige Distanzen wie durch Zauberhand verbunden bleiben. Albert Einstein bezeichnete sie als "spukhafte Fernwirkung": Zwei verschränkte Teilchen haben perfekt definierte gemeinsame Eigenschaften, verlieren aber gleichzeitig ihre Einzeleigenschaften.
Könnte man zwei Spielwürfel verschränken, wüsste man bis zur Messung (bis sie fallen) nicht, welche Augenzahl sie zeigen werden. Nach der Messung (wenn sie gefallen sind) würde aber zwingend bei beiden die gleiche zufällige Augenzahl nach oben zeigen - etwa zwei Mal die Drei, oder zwei Mal die Sechs. Sind zwei Teilchen jedoch nicht verschränkt, dann hat jedes seine eigene, wohldefinierte Eigenschaft. Die Physiker sprechen hier von "separablen Quantenzuständen". Im Fall der Würfel würde nun bei jedem eine zufällige Augenzahl nach oben zeigen, völlig unabhängig vom anderen Würfel. Das Resultat wären unterschiedliche Zahlen oder wenn die gleichen Zahlen, dann zufällig.
Die Physiker um Anton Zeilinger vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation und des Vienna Center for Quantum Science and Technology an der Uni Wien haben nun gezeigt, dass die Frage, ob die beiden Teilchen verschränkt sind oder nicht, nicht immer klar beantwortet werden kann. Verschränkung sei kein "objektives Faktum der Wirklichkeit", berichten die Forscher in "Nature Physics". Um den Beweis anzutreten, haben sie zwei verschränkte Paare von Photonen mit derselben Polarisation (Lichtbrechung) erzeugt. Ein Photon von jedem Paar wurde dann an ein Messgerät namens "Viktor" geschickt. Die beiden verbliebenen Photonen wurden an zwei weitere Messgeräte gesandt - "Alice" und "Bob".
Bei seiner Messung hat "Viktor" nun zwei Möglichkeiten: Er kann seine zwei Photonen so messen, dass sie in einen verschränkten Zustand gezwungen werden - somit werden auch die Photonen von "Alice" und "Bob" zum Paar verschränkt. Entscheidet sich "Viktor" aber, seine beiden Teilchen einzeln zu messen, werden auch die Photonen von "Alice" und "Bob" in einen separablen Zustand gebracht.
Schier unglaubliche Zukunft
In ihrem Experiment haben die Physiker um Erstautor Xiao-song Ma allerdings "Viktors" Entscheidung und Messung verzögert, sodass sie erst nach den Messungen von "Alice" und "Bob" stattfand. Damit waren sie in der Lage, erst nach der Messung von "Alice" und "Bob" die Entscheidung über den Quantenzustand der Photonen von "Alice" und "Bob" zu treffen - also ob diese verschränkt oder separabel waren. Diese Entscheidung kann sogar erst dann fallen, wenn die Lichtteilchen von "Alice" und "Bob" gar nicht mehr existieren.
Zeilinger zufolge ist das Experiment "nicht nur eine philosophische Spielerei". Sondern es hat auch eine praktische Bedeutung. Eine solche Anordnung und Prozedur mit den vier Photonen würde sich für "Quanten-Repeater" eignen, mit denen man künftig Quantencomputer miteinander verbinden könnte. Output und Input von Quantencomputern könnten auf diese Weise verknüpft werden. Die Konsequenz könnte den Rechnern eine schier unglaubliche Zukunft bescheren: "Das bedeutet letztlich, dass ein Quantencomputer in der Vergangenheit mit einem Problem zu rechnen beginnen kann, von einem Input, der erst in der Zukunft existiert", so Zeilinger.