Lange hat es gedauert, aber nun scheint auch die deutsche Regierung erkannt zu haben, was auf dem Spiel steht. Berlin hat das Ringen um die Zukunft des Euro lange Zeit als Pokerspiel missverstanden und wollte sich mit Bluffs und tunlichst ohne Geldeinsatz über die Runden retten - oder zumindest bis zu einem Termin nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen.
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Dieser Versuch ist gescheitert - und hat die Kosten nicht nur für Griechenland, sondern auch für die Eurozone als Ganzes unnötig vervielfacht. Berlin dürfte den Finanzmarkt als Gegenspieler schlicht unterschätzt haben. Der Bluff (nämlich die bloße Ankündigung eines Hilfspaketes) hat nicht funktioniert, sondern die Einsätze aller Mitspieler erhöht. Die Zinsen, welche die Schuldnerländer zahlen müssen, stiegen teilweise in absurde Höhen.
Die Marktakteure haben klar gemacht: Sie wollen das Blatt sehen, und das Geld muss auf den Tisch. Für die Griechen ist es zu spät: Sie mussten bereits aufstehen und den Tisch verlassen - das Land erhält zu vernünftigen Konditionen auf dem Kapitalmarkt kein Geld mehr und muss von den Euroländern und dem Währungsfonds (womöglich jahrelang) mit Krediten "durchgefüttert" werden.
Die Summen, die dafür gehandelt werden - weit jenseits der 100 Milliarden Euro - klingen zwar exorbitant, sind für die Eurozone als Ganzes aber noch verkraftbar, solange es bei Griechenland bleibt: Immerhin mussten die deutschen Steuerzahler einen Betrag in dieser Größenordnung alleine für die Rettung einer einzigen Bank, der Hypo Real Estate, aufstellen.
Ganz anders sieht die Situation aus, wenn die Zinsen weiter steigen und es noch anderen Ländern wie Portugal oder Spanien unmöglich wird, die Schulden nachhaltig zu refinanzieren. Das hat jetzt auch Berlin verstanden: Die einzige Chance, eine tödliche Zinsspirale zu verhindern, besteht darin, dass die gesamte Eurozone entschlossene Signale aussendet. Offenkundig haben die Chefs der Europäischen Zentralbank und des Währungsfonds, Jean-Claude Trichet und Dominique Strauss-Kahn, klare Worte gefunden, um darüber weitreichenden Konsens unter den deutschen Parteien herzustellen.
Damit sind aber nicht alle Probleme vom Tisch. Ungemach droht auch aus Karlsruhe: Eine Allianz notorischer Euro-Gegner hat angekündigt, abermals vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen und das deutsche Gesetz über die Griechenland-Hilfe anzufechten. Die Erfolgsaussichten sind offen: Zwar ist 1998 eine Klage gegen die Euro-Einführung gescheitert. Jetzt könnten die Chancen aber besser sein - einige der Argumente klingen mittlerweile plausibel; etwa, dass eine Währungsunion ohne Finanzausgleich nicht funktioniert.
Deutsche Rechtsexperten wollen derzeit nicht einmal ausschließen, dass die Kredite für die Dauer der Prüfung gestoppt werden könnten: Das hinge davon ab, welche Dringlichkeit die Verfassungsrichter der Frage beimessen.