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Zukunft für die Kinder einer vergessenen Krise

Von Kathryn Taetzsch

Gastkommentare

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Von der Flüchtlingskrise in der Region um den Tschad-See sind mehr als zwei Millionen Kinder betroffen. Alhajj ist eines von ihnen. Er lebte in einem Dorf im Norden Nigerias. Als er vor zwei Jahren eines Tages von der Schule nach Hause kam und noch zum Fluss ging, um sich zu waschen, hörte er plötzlich Schüsse. Erschrocken überquerte er den Fluss, ganz alleine. Als er den Niger erreichte, bekam er von einer fremden Familie etwas zu essen und konnte dort übernachten. Nach drei Tagen fand er seine Mutter. Wochen später dann auch seinen Bruder, der mit Hilfe eines Mannes entkommen konnte. Als Mädchen verkleidet schaffte er die Flucht von Damask nach Niger.

Alhajj ist nun 15 Jahre alt und verkauft Telefonwertkarten. Schule gibt es im Flüchtlingscamp keine. Als ich ihn bei einem Besuch frage, was er sich wünsche, sagt er: "Wenn wieder Frieden herrscht, will ich nach Hause zurück." Bis dahin will er für sich und seine Familie sorgen, um in der Wüste zu überleben.

Tausende Kinder wurden durch Angriffe aus ihren Dörfern vertrieben. Viele mussten mitansehen, wie ihre Eltern, Freunde und Nachbarn ermordet wurden oder die hunderte Kilometer lange Flucht nicht überlebten. In den Kinderschutzzentren, die World Vision in den Flüchtlingslagern errichtet, können sie zumindest für kurze Zeit wieder Kind sein, spielen und lachen. Und für den Moment vergessen, was sie Schreckliches erlebt haben.

Täglich erreichen die geflüchteten Menschen neue Nachrichten über Angriffe in ihren Heimatregionen. Eine Rückkehr ist derzeit keine Option. Alles ist besser als in dieser Unsicherheit zu leben - sogar das Leben im Flüchtlingslager, mitten in der Wüste. Viele versuchen das Beste daraus zu machen. Diese Menschen brauchen Perspektiven, es gäbe viele Möglichkeiten, sie zu unterstützen. Zum Beispiel durch Zugang zu Internet, damit Studenten ihre Ausbildung online fortsetzen können, oder durch Mikrokredite, damit Familien ihr eigenes kleines Geschäft aufbauen können. Kleine Investitionen in die Zukunft, die einen großen Unterschied machen können.

Alhajjs Geschichte erinnert uns daran, dass viel zu tun ist. Internationale Hilfsmaßnahmen in den so wichtigen Bereichen Wasser, Ernährung und Kinderschutz sind jedoch massiv unterfinanziert. Die internationale Gemeinschaft muss aktiv werden. Eine flexible Finanzierung von Hilfseinsätzen und eine langfristige Unterstützung der geflüchteten Menschen sowie der Aufnahmeländer sind dringend notwendig. Nur so ist eine positive Zukunft für Kinder wie Alhajj und deren Familien möglich.

Die EU und der Rest der Welt dürfen nicht länger zusehen. Die Verzweiflung der Kleinsten darf nicht so groß werden, dass sie sich militanten Gruppen anschließen - oder den gefährlichen Weg durch Wüste und Mittelmeer als einzigen Ausweg sehen.