Gewerkschaft fordert 3 Prozent mehr Lohn, Arbeitgeber bieten 2,4 Prozent.
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Wien. Arbeiten, wenn andere feiern oder schlafen. Bescheidenes Einkommen. Enorm hohe Anforderungen an Psyche und Physis. Ähnliches könnte in einem Profil für Sozial- und Gesundheitsberufe stehen. Aber auch: Erfüllung, Freude durch den Umgang mit Menschen.
120.000 Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich kämpfen derzeit um eine faire Entlohnung. Die Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern gestalten sich wie jedes Jahr sehr zäh. Zuletzt wurde in der zweiten Verhandlungsrunde am 24. Jänner bei einem Angebot der Arbeitgeber von "unter 2,4 Prozent oder einen Fixbetrag von 43 Euro" unterbrochen, am 4. Februar ist die nächste Verhandlungsrunde angesetzt. Für die Arbeitnehmer "führt das Angebot zu Kaufkraftverlust und ist inakzeptabel". Sie fordern "3 Prozent plus". Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, haben die Gewerkschaften Vida und GPA-djp am Mittwoch in Wien, St. Pölten, Linz und Graz Demonstrationen organisiert. Motto: "Soziale Arbeit ist mehr wert." In Wien sind laut Gewerkschaft 3000 Menschen auf die Straße gegangen, die Polizei zählte nur 1000 Demonstranten.
Michaela Guglberger, Vida-Bundesfachgruppensekretärin, findet, dass die Arbeit der Beschäftigten in diesen Berufen - Heimhelfer, Pflegehelfer, Diplomkrankenschwestern, Kinder- und Jugendwohlfahrt, Streetworker - von der Gesellschaft zu wenig honoriert wird. Guglberger hat selbst als Heimhelferin gearbeitet und weiß daher aus Erfahrung, dass häufig in der Freizeit gearbeitet wird. Denn die Betreuungszeit sei limitiert, aber was solle man tun, wenn eine betreute Person noch durstig sei. Für soziale Kontakte bleibe aufgrund des Arbeitsdrucks oft keine Zeit - oder eben nur die eigene Freizeit.
1700 Euro netto
Die Einkommen von Beschäftigten in Gesundheits- und Sozialberufen liegen laut Statistik Austria 17 Prozent unter dem Durchschnitt der anderen Arbeitseinkommen in Österreich. 1700 Euro netto verdient zum Beispiel der Altenhelfer Michael Zehetner bei der Caritas nach 28 Dienstjahren. Dennoch liebt er seinen Beruf und könnte sich keinen besseren vorstellen. Das größte Problem ist für ihn der Zeitdruck, schließlich habe man es bei der Arbeit ja nicht mit Maschinen zu tun, sondern mit Menschen.
Auch Guglberger sagt, dass der Umgang mit Menschen sehr erfüllend sein könne - nur müsse eben diese physisch und psychisch herausfordernde Arbeit von der Gesellschaft auch entsprechend entlohnt werden, jedenfalls nicht unter der Inflationsrate von 2,58 Prozent. Zumal, wenn von Pflegeberufen als Zukunftsberufen die Rede sei.
Unterstützung für die Forderung der Arbeitnehmer kam am Mittwoch von Ingrid Korosec, stellvertretende Obfrau des Seniorenbundes (ÖVP): "Wir Senioren stehen hier ganz klar auf der Seite jener, die diese unersetzlichen Dienste leisten." Dazu seien aber öffentliche Mittel für die Arbeitgeber bereitzustellen. Langfristig brauche es dafür die Pflege-Strukturreform, in welcher die Problematik der Entlohnung von Sozial- und Gesundheitsberufen mit berücksichtigt werden müsse.
Die meisten Dienste im Gesundheits- und Pflegebereich werden von der öffentlichen Hand finanziert. Wolfgang Gruber, Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, bezeichnete die Forderung der Gewerkschaften von "3 Prozent plus" als "unrealistisch". Er verwies darauf, dass die budgetäre Lage der zuständigen Gebietskörperschaften angespannt sei. Diese hätten keine ausreichende Valorisierung der Leistungen und Förderungen in Aussicht gestellt, weshalb die Erhöhung unter 2,4 Prozent sein müsse. Die Sozialwirtschaft als Arbeitgebervertretung hofft auf eine Einigung am 4. Februar.