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Zukunftsprojekt Gedenkdienst

Von Michael Schmölzer

Politik

Österreichs Gedenkdienstleistende hatten es schon bisher nicht leicht. Als nun die Bundesregierung voriges Jahr daran ging, massive Einsparungen im Zivildienstbereich durchzusetzen, schienen auch die Aktivitäten derer gefährdet, die weltweit die Schrecken des Holocausts vor dem Vergessen bewahren wollen. Mittlerweile kann wieder Entwarnung gegeben werden. Probleme beim sogenannten "Ersatzdienst zum Zivildienst" bestehen allerdings weiterhin.


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Sie sind die Botschafter Österreichs "im Kleinen": Seit 1992 besteht für österreichische Jugendliche, die sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter die Fittiche des Bundesheeres begeben wollen, die Möglichkeit, einen 14-monatigen Gedenkdienst zu leisten. Das Innenministerium sagt amtlich-korrekt "Ersatzdienst zum Zivildienst" dazu. Trägerorganisationen dieses Projekts sind drei Vereine, der größte darunter nennt sich "Verein Auslandsdienst". Alle drei stehen sie mit dem Innenministerium in Kooperation. Zweck des Unternehmens: Zusammenarbeit mit Holocaust-Gedenkstätten in jenen Ländern, in denen österreichische Emigranten sowie Überlebende des Holocaust noch am Leben sind, oder wo österreichische Kriegsverbrecher (siehe Beitrag "Österreicher als Massenmörder") besonders hervorgetreten sind. Zentrales Anliegen des Projekts ist es, Brücken zwischen Holocaust-Opfern und der Jugend zu errichten.

Finanzielle Benachteiligung

Eine große Herausforderung für Österreichs Gedenkdiener. Was die Sache darüber hinaus nicht leichter machte: Die "Ersatzzivildiener" waren die letzten Jahre finanziell noch schlechter gestellt als ihre "konventionellen" Kollegen: Sie erhielten vom Innenministerium zwar den gleichen Betrag wie Zivildiener im Inland, mussten damit aber zwei Monate länger auskommen und sich selber versichern. Die jüngsten Einsparungsmaßnahmen der Bundesregierung im Bereich Zivildienst ließ auch die Gedenkdiener um ihre Existenzgrundlage bangen. Andreas Maislinger vom Verein "Auslandsdienst" kann aber vorerst Entwarnung geben: "Alle Gedenkdienstleistenden, die vor dem 31. Dezember 2000 ihren Dienst angetreten haben, können auch weiterhin mit dem ihnen zugesicherten, vollen Betrag von 138.000 Schilling rechnen."

Das ist trotzdem fallweise reichlich wenig. Dominik Zotti, der zur Zeit seinen Gedenkdienst im Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles ableistet, weiß ein Lied davon zu singen. Selbst bei sparsamster Lebensweise ist das Geld vom Innenminsterium höchstens ein Zuschuss: Der unvorteilhafte Dollarkurs hat dem jungen, engagierten Österreicher den Rest gegeben: "Ich werde in Österreich erst einmal meine Schulden abarbeiten müssen", meinte er im Interview mit der "Wiener Zeitung". Andreas Maislinger, Gedenkdienst-Koordinator, ist sich des Problems durchaus bewusst: "Ich sage den jungen Leuten immer wieder, dass der Betrag des Innenministeriums für Los Angeles nicht reichen wird. Die räumlichen Verhältnisse sind dort so, dass man sich fast zwangsweise ein Auto anschaffen muss, denn in der Nähe der Arbeitsstätte sind die Wohnungspreise unerschwinglich. Viele Gedenkdiener hören zwar, was ich sage, schenken dem aber wenig Glauben und sind dann letztendlich finanziell überfordert."

Dominik Zotti weiß das alles, für ihn hat aber in erster Linie die Herausforderung gezählt, finanzielle Probleme waren bei seiner Entscheidung, nach Amerika zu gehen, zweitrangig: "Du musst Dir, was das Geld betrifft, einfach etwas vormachen, sonst gehst du nie", meint er dazu.

Über Sponsorenverträge mit Privatfirmen will Thomas Maislinger jetzt die missliche Lage seiner Schützlinge lindern und von rein staatlicher Unterstützung wegkommen. In diesem Zusammenhang ist er "zuversichtlich", was die laufenden Verhandlungen mit potentiellen Interessenten betrifft. Die inhaltliche Ausrichtung der Gedenkprojekte soll sich aber dadurch nicht verändern. Der 45-jährige Politologe ist aber darüber hinaus auf der Suche nach "Mäzenen", die das nötige Geld locker machen, dabei aber diskret im Hintergrund agieren. Auch Spendenaktionen unter der österreichischen Bevölkerung kann sich Thomas Maislinger vorstellen.

Den jetzigen Innenminister Ernst Strasser beurteilt der Initiator der österreichischen Gedenkdienst-Idee pragmatisch: "Ernst Strasser hat den Gedenkdienst besser behandelt als so mancher seiner Vorgänger", meinte er zur "Wiener Zeitung". Weniger gut fällt Maislingers Urteil über den ehemaligen Innenminister Caspar Einem aus: "Er hat für den Gedenkdienst vergleichsweise wenig getan, konnte zu keiner halbwegs klaren Stellungnahme bewegt werden."

Gedenktafeln in Jerusalem

Vor allem die Regierungsbeteiligung der FPÖ, die international als "extreme right" eingeschätzt wird, hat unter den Gedenkdienstleistenden einige Befürchtungen aufkommen lassen. Öl ins Feuer goss im Frühjahr des vergangenen Jahres die Sicherheitssprecherin derselben Partei, Helene Partik-Pablé, als sie sinngemäß meinte: es sei nicht einzusehen, warum Zivildiener in Jerusalem Gedenktafeln pflegen sollten, wenn man sie hierzulande dringend bräuchte, um ihren Dienst an Behinderten zu versehen. "Diese Behauptung ist nicht ernstzunehmen", versucht Maislinger zu beschwichtigen. Schon aus Imagegründen kann es sich die Republik nicht leisten, plötzlich Gedenkdiener abzuziehen.

Das von ihm gegründete Projekt läuft im Gegenteil mit den Jahren immer besser: "Es dürfte sich bei den Gedenkstätten herumgesprochen haben, dass unsere Leute gute Arbeit leisten", meinte Maislinger, der sich auch über internationale mediale Aufmerksamkeit in letzter Zeit nicht beschweren kann. Das Projekt expandiert dementsprechend: "Letzte Woche haben wir mit einem neuen Gedenkdiener in Norwegen begonnen."

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Weitere Infos unter: www.gedenkdienst.org