Finanzexperte Strasser rät zu langfristig stabiler Steuerpolitik.
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Die Bundesregierung hat Anfang Februar das Sparpaket präsentiert, in der Folge wurde dieses und die Schuldenbremse - nicht mit Verfassungsmehrheit - im Nationalrat beschlossen. Gestern einigten sich Bund und Länder auf einen innerösterreichischen Stabilitätspakt, der im Wesentlichen das bereits im Sparpaket vereinbarte Nulldefizit bis 2016 noch einmal verankert und gleichzeitig die Länder in die Pflicht nimmt. Neu daran soll ein funktionierender Sanktionsmechanismus sein, der sich an dem EU-Sanktionsmechanismus orientiert.
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"Wiener Zeitung":Der Stabilitätspakt wurde gewissermaßen für die Ewigkeit beschlossen: Er gilt unbegrenzt. Hat Österreich damit einen guten Grundstein gelegt, um die Staatsfinanzen nachhaltig auf stabile Beine zu stellen? Kann sich die Politik jetzt quasi zurücklehnen und auf die vorgegebenen Pfade vertrauen?Alois Strasser: Wir (Standard & Poor’s) glauben, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es wurden Pflöcke eingeschlagen, die zukunftsweisend sind. Aber das sind sicherlich nicht die letzten Maßnahmen gewesen. In großen Teilbereichen wird es noch zu weiterreichenden Maßnahmen kommen müssen.
Ich nehme an, Sie verweisen auf den Pensionsbereich. Für Pensionen und Zinszahlungen wendet Österreich 35 Prozent des Bundesbudgets auf. Es fließen also 27 Milliarden Euro in vergangenheitsbezogene Ausgaben. Ist das international gesehen im Rahmen oder bleibt da zu wenig Geld für zukunftsbezogene Investitionen?
Die hohen Ausgaben für Zinszahlungen und Pensionen schränken den Handlungsspielraum der Politik ein. Ich gehe davon aus, dass hier noch stärkere strukturelle Eingriffe erfolgen werden. Das Pensionsantrittsalter bewegt sich seit Jahren in einem engen Rahmen.
Österreich ist bekannt für sein niedriges Pensionsantrittsalter - etwa 59 Jahre im Durchschnitt. Das Antrittsalter der Männer lag im Vorjahr bei 62,7 Jahren und damit auf dem Wert von 2003. Das Pensionsalter der Frauen lag bei 59,4 Jahren - 2003 war es 59 Jahre. Im Rahmen des Sparpakets wurden nun Schritte gesetzt, die das faktische Antrittsalter um mindestens zwei Jahre bis 2020 anheben sollen. Reicht das aus?
Wie gesagt, es müssen strukturelle Maßnahmen folgen. Da geht es um eine allgemeine Harmonisierung und vor allem auch um eine Angleichung des Antrittsalters der Frauen an das der Männer. Aber auch im Bereich der Pflege sollte ein Umdenkprozess stattfinden. Die Bevölkerung wird älter, damit einher gehen höhere Ausgaben für die Pflege. Mit den derzeitigen Mitteln wird man nicht das Auslangen finden.
Der Pflegefonds, der die höheren Ausgaben vor allem der Gemeinden in diesem Bereich abdecken soll, wurde bereits über das Jahr 2014 hinaus verlängert.
Das wird nicht ausreichen. In Österreich ist der Hotelanteil in der Pflege - sehr hoch.
Sie meinen, der Qualitätsstandard im Pflegebereich sei zu hoch?
Wenn man mit Auslandsösterreichern darüber spricht, ist es deren Einschätzung, dass Österreich ein sehr hohes Niveau hat. Auch das Gesundheitssystem in Österreich hat einen ausgezeichneten Ruf. Jeder hat Zugang. Wenn man in Zukunft dieses Niveau halten will, wird man über höhere Einzelbeiträge oder höhere Steuern diskutieren müssen. Über diese Leistungen muss man ehrlich reden: Was ist leistbar und was nicht?
Gerade eben hat der Rechnungshof den Bundesrechnungsabschluss bekannt gegeben. Demnach lag das gesamtstaatliche Budgetdefizit schon im Vorjahr bei 2,6 Prozent - und damit unter der EU-Vorgabe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für heuer sind zwar 3 Prozent Defizit eingeplant, sehr wahrscheinlich wird das Defizit aber auch diesmal besser ausfallen. Ist Österreich damit alleine schon eine Benchmark im positiven Sinne?
Die Defizitzahlen sind in Ordnung, wenn wir die Schulden (217,4 Milliarden Euro oder 72,15 Prozent des BIP; Anm.) außer Acht lassen. Sie müssen bedenken, dass derzeit das Zinsniveau sehr niedrig ist. Wir wissen nicht, wie sich die Zinssätze in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln werden. Aber ein derart hoher Schuldenstand engt den Handlungsspielraum der Politik ein. Immerhin bedeutet ein Defizit von 2,6 Prozent noch immer eine Neuverschuldung von 8 Milliarden Euro. Durch das Sparpaket wird zwar 2016 ein Nulldefizit angepeilt, aber die Zinsen bleiben. Und bei all diesen Überlegungen ist eine mögliche neue Krise nicht einkalkuliert.
Sie attestieren Österreich im Wesentlichen profunde Zahlen. Warum hat Standard & Poor’s dann Österreich von AAA auf AA+ herabgestuft?
Wir haben im Dezember für die Euro-Zone einen Credit-Watch vorgenommen. Geschuldet ist die Herabstufung Österreichs einer mangelnden politischen Koordination innerhalb der Euro-Zone. Das hat wiederum negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit.
Dennoch zahlt Österreich vergleichsweise niedrige Zinsen auf seine Staatsanleihen. Für die zehnjährige Emission musste die Republik im Vormonat 2,905 Prozent bezahlen, jetzt liegt das Zinsniveau bei 2,66 Prozent.
Tatsächlich ist es so, dass wir Österreich das zweithöchste Rating gegeben haben. Der Markt unterscheidet jedenfalls sehr genau, zu welchen Bedingungen er wo Geld investiert.
Abgesehen von den Basisdaten, können Sie sagen, ob die Innovationsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft wettbewerbsfähig ist?
Wir sehen, was die Wirtschaftsstruktur betrifft, keine großen Problemfelder. Im internationalen Wettbewerb ist die Lohnmoderation sehr wichtig - und da sind die Lohnstückkosten, dank der Sozialpartnerschaft, nicht so stark gestiegen. Die Politik ist hier aufgerufen, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen.
Aber ist es nicht gerade die Sozialpartnerschaft, die in Österreich für eine funktionierende Lohnbildung sorgt, und weniger die Politik?
Ja, aber unser Ansatzpunkt betrifft hier z. B. die Steuerpolitik. Unternehmer brauchen eine stabile Steuerpolitik, um in einem Land zu investieren. So könnte z. B. die Änderung bei der Gruppenbesteuerung Auswirkungen haben. Die Schweiz macht eine sehr vorhersehbare Steuerpolitik. Das Gegenteil davon sieht man in Ungarn, wo kurzfristig einmalige Steuern eingehoben werden. Eine langfristige Ausrichtung der Steuerpolitik ist jedenfalls von Vorteil.
Eignet sich Österreich als Vorbild für andere Länder der EU?
Wir machen bei unseren Bewertungen keine direkten Einzelvergleiche zwischen Ländern, sondern beurteilen nach unseren Ratingkriterien für Staaten fünf Teilbereiche. Was die Wirtschaft betrifft, zählt Österreich sicherlich zu den bestbewerteten. Bei der politischen Bewertung ergibt sich die Abschwächung durch die mangelnde Politkoordination in der Euro-Zone. Bei der Fiskalpolitik ist ein Aufholprozess bemerkbar. Bei Sparpaket und Stabilitätspakt gehen wir davon aus, dass der größte Teil der Maßnahmen umgesetzt wird. Es bleibt zu sagen, dass die Verschuldung als struktureller Faktor noch immer sehr hoch ist. Vor allem im Bankensektor gibt es Verbesserungspotenzial. Die Eigenkapitalquote ist im internationalen Vergleich nicht sehr hoch. In einem Stresstest-Szenario könnte das zu einer höheren Kapitalzufuhr der Republik führen.
Wann erfolgt die nächste Bewertung Österreichs?
Darüber geben wir keine Auskunft. Unser veröffentlichtes Rating ist das gültige.
"Die hohen Ausgaben für Zinszahlungen und Pensionen schränken den Handlungsspielraum ein."
Zur Person
Alois Strasser
ist bei Standard & Poor’s für die Bonitätsbewertung Österreichs zuständig. Der Volkswirt leitet seit 12 Jahren die Gruppe für Gebietskörperschaftsratings im deutschsprachigen Raum.
"Vor allem im Bankensektor gibt es Verbesserungspotenzial."