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Pastoraltheologe Paul Zulehner verlangt von Rom Schadensbegrenzung. | "Wiener Zeitung": Wie beurteilen Sie die Ernennung von Gerhard Maria Wagner zum Linzer Weihbischof durch Papst Benedikt XVI.?
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Paul Zulehner: Diese Ernennung muss vor dem Hintergrund der jüngeren österreichischen Kirchengeschichte betrachtet werden. Darunter waren Bischofsernennungen, die der Kirche kaum Segen gebracht haben. Die Ernennung von Kurt Krenn 1987 zum Weihbischof von Wien hat eine schwere Krise in der österreichischen Kirche ausgelöst. Zweitens ist anzumerken, dass die jüngsten Entscheidungen Roms - ob aus Pannen oder Absicht heraus - eine klare Bevorzugung des rechten Flügels bedeuten. Die Wiederaufnahme der Pius-Bruderschaft führt bei vielen Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirche zu schweren Irritationen. Dass darunter ein Holocaustleugner ist, macht die Entscheidung Roms zu einem enormen politischen Problem.
Es gibt Kritiker, die meinen, der Vatikan hätte mit Vertretern der Pius-Bruderschaft zuerst das Gespräch suchen sollen, ehe man die Gemeinschaft wieder aufnimmt.
Die Vorgangsweise, dass man zuerst die Wiederaufnahme bestätigt und erst dann Gespräche über die Akzeptanz des Zweiten Vatikanischen Konzils sucht, zeigt zumindest eine massive Eindimensionalität. Das wäre so, als würde man im Strafvollzug zuerst die Entlassung und dann die Bewährung aussprechen. Die Menschen reagieren sehr sensibel auf solche Entscheidungen. Sehr viele sind verärgert; nicht wenige haben ihren Kirchenaustritt bereits angekündigt. Und das sind keineswegs nur Linkskatholiken, sondern Menschen, die aus der offensiven Mitte kommen, zu der auch ich mich zähle. Die Kirchenleitung versucht nicht mehr, weltoffene Menschen an sich zu binden. Im Gegenteil, diese werden vertrieben und Erzkonservative bleiben übrig. Das Tragische: Es geht dabei gar nicht um theologische Inhalte, schon gar nicht um das Evangelium, sondern um reine Machtpolitik zur Durchsetzung kirchenpolitischer Positionen - und das rund um die Frage, wie sich die Kirche in der Welt von heute einbringt. Bleibt die Kirchenleitung auf diesem Kurs, ist der Marsch der Kirche ins Ghetto unaufhaltsam. Dann aber ist die Kirche zur Sekte verkommen.
Gibt es eine Möglichkeit der Schadensbegrenzung?
In Rom schätzt man das Ausmaß der Enttäuschung in Österreich falsch ein. Man sieht dort den Schaden nicht. Die Linken sind leider schon weg, aber diejenigen, die in der Mitte der Kirche stehen, werden nun auch schwer verunsichert. Das ist kirchenpolitisch falsch und pastoral schädlich. Könnte nicht Christoph Kardinal Schönborn als Vorsitzender der Bischofskonferenz den kurzen Draht zum Papst suchen, um ihm telefonisch klarzumachen, wie die Stimmung weit über die Grenzen der Kirche hinaus ist? Es geht dabei nicht nur um Österreich. Die Bischofsernennung Wagners hat auch außerhalb des Landes zu Diskussionen geführt. Es geht also um den Ruf der Kirche in der modernen Welt.
Kann der Papst eine Ernennung zurücknehmen?
Der Papst wird die Ernennung Wagners nicht zurücknehmen, aber Benedikt XVI. sollte für Linz einen zweiten Weihbischof bestellen. Diese Forderung ist ein Gebot der Stunde. Linz ist eine Universitätsstadt, eine Stadt, die sich als Kulturzentrum etabliert. Vor diesem Hintergrund sollte dort ein zweiter Weihbischof mit Weltoffenheit und Dialogfähigkeit als Identifikationsfigur für Skeptiker, Suchende, Atheisten und moderne spirituelle Pilger präsent sein.