Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft fördert Kindervorsorge mit 100 Euro jährlich. Diese ist laut Ärzten lückenhaft.
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Wien. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, an die die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes gekoppelt ist, enden, sobald das Kind fünf Jahre alt ist. Danach kommt lange nichts mehr in Richtung Gesundheitsprävention. Die meisten gehen erst im Erwachsenenalter zu ihrer ersten Vorsorgeuntersuchung. Um diese Lücke zu schließen, weitet die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) ihr "Gesundheitshunderter"-Programm, das es für Erwachsene gibt, auf Kinder und Jugendliche aus.
Das bedeutet konkret, dass die Eltern all jener Kinder, die sich im Alter von sechs bis 17 Jahren einem Gesundheitscheck unterziehen, 100 Euro für Sportkurse, den Skikurs, eine neue Snowboard-Ausrüstung oder Ähnliches überwiesen bekommen. Sie müssen die Bestätigung des Arztes gemeinsam mit der Rechnung für die Sportaktivitäten einreichen. Der Gesundheitscheck besteht aus einer kostenlosen Vorsorgeuntersuchung und einem Coachinggespräch. Der Gesundheitshunderter kann einmal jährlich eingelöst werden, er ist aber stets an diese Untersuchung gekoppelt.
Nach einem Pilotprojekt in Wien sei das Projekt mit 1. Oktober österreichweit gestartet, sagte SVA-Obmann-Stellvertreter Alexander Herzog am Mittwoch bei dessen Präsentation. Die Uni Linz evaluiere das Projekt, das europaweit einzigartig sei. Ziel sei, mindestens zehn Prozent der Kinder der 860.000 Versicherten zu erreichen. Die SVA, die anfangs unter anderem mit dem Familienministerium in das Projekt investiere, verspreche sich freilich davon, "dass es sich langfristig auszahlt", so Herzog. Die Ärztekammer sei Kooperationspartner.
Für Erwachsene bietet die SVA neben dem Gesundheitshunderter seit etwas mehr als drei Jahren die Vorsorgeinitiative "Selbständig Gesund" an, deren Teilnahmequote laut Herzog ebenfalls bei rund zehn Prozent liegt. Dabei können mit dem Arzt Gesundheitsziele festgelegt werden, die innerhalb von sechs Monaten erfüllt werden sollen. Bei Zielerreichung spart man sich den halben Selbstbehalt.
Schularzt führt keine Vorsorgeuntersuchung durch
Erwachsene scheinen ein zunehmendes Bewusstsein für Vorsorgeuntersuchungen zu entwickeln. Diese wurden 1974 flächendeckend eingeführt. Heute nehmen sie laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger rund 1,1 Millionen Erwachsene jährlich in Anspruch. 2005 waren es 895.528 Menschen.
Von den Kindern und Jugendlichen sei es nach Schuleintritt nur noch ein Bruchteil, sagt Klaus Vavrik, Präsident der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, zur "Wiener Zeitung". Um diese Quote zu erhöhen, müsse man dort ansetzen, wo die Kinder viel Zeit verbringen: in den Schulen und bei den Schulärzten. Das sei aber nicht so einfach.
Schulärzte fallen einerseits in das Bildungs- und nicht Gesundheitswesen und dürfen nicht heilend eingreifen. Bei einer Untersuchung handelt es sich daher nicht um eine umfassende Vorsorgeuntersuchung. Sie soll sicherstellen, dass das Kind am Unterricht teilnehmen kann. Bei pathologischen Befunden werden die Eltern informiert.
Allein das wäre schon ein Schritt in Richtung Gesundheitsvorsorge. In der Praxis eröffnen sich laut Vavrik aber weitere Probleme. Denn Schulärzte seien aufgrund der Einteilung in Bundes- und Landesschulen unterschiedlich organisiert, wodurch das System schwer überschaubar werde. Zudem komme es zwischen Schulärzten und etwa Sozialarbeitern, die ebenfalls auf Probleme bei Schülern aufmerksam werden, selten zu Austausch und Zusammenarbeit. "An den Schulen müssten sich interdisziplinäre Teams bilden", sagt Vavrik, "dann könnte man den Präventionsgedanken besser in die Praxis umsetzen." Hilfreich wäre auch, wenn man auf diese Weise Daten über Krankheiten bei Kindern sammeln könnte - unter anderem, um festzustellen, ob das Angebot den Bedarf überhaupt deckt.
Österreich widmet sich seit 2011 intensiv diesem Thema. Damals hat das Gesundheitsministerium gemeinsam mit Experten die Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie erarbeitet. Eine Facharbeitsgruppe unter anderem aus Ministerien, Sozialversicherungen und der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit soll diese Strategie vorantreiben und regelmäßig Maßnahmen wie die Nichtraucherkampagne Yolo an Schulen erarbeiten. Die Wiener Gebietskrankenkasse bietet ebenfalls kostenlose Projekte an, etwa Ernährungsworkshops an Schulen.