Was honorige SPÖ-Politiker über die Schweiz zum Besten gaben, zieht Kreise. Österreich ist zum Feindbild in Schweizer Medien geworden.
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Die Schweiz ist - das weiß die ganze Welt - ein staatspolitischer Ausnahmezustand. Sie gehört nicht zur EU und schon gar nicht zur Eurozone, wohl aber zum Schengenraum. Trotz hausgemachter Bankenkrisen wird ihr Franken immer stärker, denn die Euro-Milliarden suchen bei ihm Sicherheit. Wie geht sich das alles aus? Ganz genau wissen es nicht einmal die Eidgenossen, die unter ihrer starken Währung zu stöhnen beginnen. Sie fürchten, dass Schweizer Uhren und Schweizermesser global unerschwinglich werden könnten.
Politikern im Nachbarland Österreich, das in normalen Zeiten hinter dem Paravent des Schweizer Bankgeheimnisses die Schwarzgeldneurotiker der EU und Amerikas in Schach zu halten versucht, fällt dazu manches ein - Bassena-
tratsch im Hausflur der Öffentlichkeit. Vor beinahe zwei Wochen schon legte SPÖ-Klubchef Josef Cap in einem "Kurier"-Gespräch los: "Diese Schweizer Trittbrettfahrer regen mich auf", sagte er aufgeregt, "die haben das Schwarzgeld aus Griechenland und ganz Europa auf ihren Banken liegen und entziehen so den anderen Staaten das Geld." Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi sagt das übrigens schon lange, verlangt aber zusätzlich die Auflösung des Schweizer Staatswesens. So weit geht Cap noch nicht.
Die Österreicher hören dem SPÖ-Mann gern zu, weil sie auch sonst in die Operette gehen, aber den Schweizer Medien ist dieser Weg der Erkenntnis versperrt. So wie Cap regen auch sie sich auf, zumal Bundeskanzler Werner Faymann höflicher, aber doch unmissverständlich nachbohrte: Es sei unbestritten, dass sich die Schweizer die Rosinen herauspickten. Vor allem die "Neue Zürcher Zeitung" lässt seither keine Gelegenheit aus, die Sprayspuren des rotweißroten Vandalismus vom Image der Schweiz wegzuschmirgeln. Die Zeitung fuhr mit der Außenministerin Micheline Calmy-Rey auf: Äußerungen wie jene von Faymann und Cap zeigten, dass man in Österreich wenig Wissen über die Schweizer Rolle habe.
Die Zeitung fragte Karel Schwarzenberg, der tschechischer Ex-Außenminister, Europäer und schweizerischer Staatsbürger ist, am Pfingstsonntag in einem Interview - noch immer spürbar besorgt -, was er von Faymanns Forderung halte, dass die Schweiz einen Beitrag zur Stabilisierung des Euro leisten solle. Schwarzenberg, obwohl selbst barock genug, suchte Anlehnung beim einstigen Bundeskanzler Bruno Kreisky: Dieser würde Faymanns Idee als "barock" bezeichnen, meinte er. Schadenfreude sei ihm zwar nicht fremd, aber das, was Faymann gesagt habe, sei Dummheit.
So etwas zu behaupten, kann sich ein Fürst leisten, nicht aber Österreichs Außenminister Michael Spindelegger. Dieser gehört zur ÖVP und somit zu dem auf inneren Pazifismus eingeschworenen Koalitionspersonal. Die Äußerung des Bundeskanzlers sei "nicht sehr geglückt", windet sich Spindelegger. Man werde das auf dem diplomatischen Parkett schon wieder geradebiegen. Mit diesen Worten ist ihm die Tat beinahe schon gelungen ("nicht unelegant", würde er sagen).
Wir aber begehen im heißen schweizerisch-österreichischen Nachbarschaftskrieg Fahnenflucht und lassen als einzige besorgte Frage zurück: Was wollten zwei österreichische Spitzenpolitiker eigentlich anzetteln und welche Strategie steckt dahinter? Man kann es drehen und wenden wie man will - zum Brunnenvergiften reichte es allemal.
Der Autor ist Sprecher der
"Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt",
"Presse" und "Salzburger Nachrichten".