Die Novomatic gibt sich als neuer Anteilseigner der Casinos Austria staatstragend. Mit den tschechischen Gegenspielern, die auf ein Vorkaufsrecht der weiteren Anteile pochen, werde nun auf Wunsch des Finanzministers verhandelt.
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Gumpoldskirchen/London. In einer Branche, die einem juristischen Eiertanz gleicht, in der die gesetzlichen Anforderungen sich mit hoher Schlagzahl ändern, kennt man den Wert des Waffenstillstands. "Wir haben zum Teil Verfahren, die seit über zehn Jahren laufen", erklärt Harald Neumann, der seit Oktober 2014 als CEO dem niederösterreichischen Glücksspielkonzern Novomatic vorsteht. Die jüngste juristische Hürde: Novomatic will seinen Anteil an den Casinos Austria auf eine beherrschende Mehrheit erhöhen. Die Verkäufer für diese Anteile hätte man schon gefunden: Leipnik-Lundenburger Invest (LLI), die Uniqa (beide gehören zum Raiffeisen-Reich) sowie die MTB Privatstiftung.
Doch ein tschechisches Glücksspielkonsortium um die Milliardäre Karel Komarek und Jiri Smejc machte diesem Plan einen Strich durch die Rechnung - indem die Tschechen sich fast unbemerkt ebenso in die Casinos einkauften (11,3 Prozent über die Vienna Insurance Holding) und nun auf ihr Vorkaufrecht bei den anderen zum Verkauf stehenden Anteilen des teilstaatlichen Unternehmens pochen.
Die Tschechen klagten also gegen den Kauf der Novomatic. Die Novomatic klagte zurück. Parallel prüfte die Bundeswettbewerbsbehörde, ob eine mehrheitliche Übernahme der Casinos durch die Novomatic überhaupt kartellrechtlich zulässig wäre.
Der Finanzministersprach ein Machtwort
Es sah nach einer verfahrenen juristischen Situation aus. Und rechtliche Unsicherheit ist, so wird oft gepredigt, Gift für die Wirtschaft. Und da in diesem Fall ein quasi teilstaatliches Unternehmen betroffen ist, sprach Finanzminister Hans Jörg Schelling am Dienstag im "Kurier" ein Machtwort: Die Kontrahenten sollen "zum Wohl des Unternehmens den Streit beenden".
Schellings Ruf blieb nicht ungehört - und zeitigte sofort Erfolge. Wo früher die Niederösterreicher immer wieder gegen österreichische Bundesgesetze Einspruch erhoben haben, herrscht offenbar heute eine konstruktive Gesprächssituation und der Wunsch, die Rolle als Favorit der Österreichischen Bundes- und Industriebeteiligungsholding (Öbib) als Käufer für die Mehrheit bei den Casinos nicht zu verlieren.
Konkret erklärte am Mittwoch Neumann, er würde noch nicht so weit gehen, seine Kontrahenten als "Freunde" zu bezeichnen, kann sich aber für das Wort "Partner" erwärmen. Im Rahmen der Londoner Glücksspielmesse ICE eröffnete Neumann am Mittwoch den mitgereisten Journalisten, man sei Schellings Vorschlag gefolgt und habe sich vor kurzem mit den Tschechen zusammengesetzt und angefangen zu verhandeln. Noch sei man weit davon entfernt, auf einen grünen Zweig zu kommen, aber Neumann hofft, dass in den "nächsten vier bis sechs Wochen eine für beide Parteien" akzeptable Lösung herauskommt.
Aus der Vogelperspektive betrachtet, "sollte eine Lösung möglich sein", aber "nix is fix". Strategisch lobt Neumann auch die große Erfahrung der Tschechen in Sachen Lotteriebetrieben - schließlich arbeitet man in Griechenland bereits quasi zusammen. Dort will das Konsortium Videolotterieterminals betreiben, für die die Novomatic die Technologie liefert.
Wie eine Zusammenarbeit in Österreich bei den Casinos aussehen könnte, kann oder will Neumann nicht sagen: Alles - bis auf den Rückzug - sei auf dem Tisch.
Mehr Zeit und Raum für Verhandlungen hat jedenfalls, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, die Bundeswettbewerbsbehörde geschenkt, die am Mittwochabend wissen ließ, dass sie den kartellrechtlichen Antrag der Novomatic aus formalen Gründen zurückweisen muss - und der Konzern nachbessern muss.
Novomatic willMarktführer in Europa werden
Falls die Tschechen und die Novomatic sich ihre Anteile aufteilen, sind wahrscheinlich weniger kartellrechtliche Bedenken bezüglich einer Vormachtstellung des niederösterreichischen Konzerns auf dem Tapet.
Für die Novomatic wäre die Bereinigung in ihrem Hinterhof eine große Erleichterung, denn damit wären Energien frei, um die Expansion im Rest von Europa voranzutreiben. "Wir haben 2015 die Entscheidung getroffen, dass Europa unser Kernmarkt ist", erklärt Neumann. Man wolle in allen relevanten europäischen Märkten, "in denen das Glücksspiel entsprechend geregelt ist", Marktführer werden. Konkrete Schwerpunktländer sind Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien. In Spanien habe man etwa zuletzt 40 "Arkaden" gekauft. Hinter dem eleganten Wort verbergen sich die klassischen, kleinen Automatenlokale. Die in Wien inzwischen verboten sind. Das hat auch die Novomatic getroffen. Damit sind auf einen Schlag 2500 Maschinen weggefallen, einen derartigen Verlust konnte man 2015 "nicht ganz kompensieren". Trotzdem werde die Novomatic AG im Geschäftsjahr 2015 erstmals die Marke von zwei Milliarden Euro Umsatz erreichen. Gemeinsam mit den Schweizer Schwesterholdings Gryphon Invest AG und ACE Casino Holding AG wird die Novomatic Gruppe den addierten Gesamtumsatz auf rund 3,9 Milliarden Euro steigern.
Die Novomatic ist zu 100 Prozent in Familienbesitz, der Gründer Johann Graf ist laut Forbes-Liste der zweitreichste Österreicher - nach Didi Mateschitz (Red Bull).
Die Pressereise nach London fand auf Einladung der Novomatic statt.