Ärztekammer fordert Obergrenzen. | Versicherungen befürchten enorme Mehrkosten durch Rückversicherung. | Reparatur noch vor Beschluss. | Wien. Eine 40-jährige Frau geht ins Spital zu einer bereits zur Routine gewordenen Unterleibsoperation. Sie verlässt das Krankenhaus im Rollstuhl: Bei der OP kam es zu einem Fehler, die Frau ist querschnittgelähmt. Für diese und ähnliche Fälle auch in Ordinationen sieht das Ärztegesetz, das am Freitag im Nationalrat beschlossen wird, eine Haftpflichtversicherung vor.
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Bisher war es eine freiwillige Entscheidung der Ärzte, ob sie sich gegen Risiken schützen oder nicht. Künftig müssen alle niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte, Gruppenpraxen und private Spitäler gegen Kunstfehler versichert sein. Weiterhin keine Haftpflicht brauchen öffentliche Krankenhäuser.
Dass Ärzte künftig nicht selbst für ihre Fehler haften müssen, sondern eine Versicherung den Schaden decken soll, wird von allen beteiligten begrüßt. Allerdings kritisiert die Ärztekammer, dass Gesundheitsminister Alois Stöger übers Ziel geschossen hat. Denn das Gesetz sieht vor, dass pro Schadensfall drei Millionen Euro angenommen werden und jeder Arzt pro Jahr unbegrenzte Schadensfälle in dieser Höhe produziert. Dadurch kommt es zu enorm hohen Versicherungsprämien, befürchtet die Kammer.
Zu Lasten der Patienten
In Österreich, erklärt Gerhard Ulmer vom Verein "Ärzte für Ärzte", der Versicherungen anbietet, zahle ein Gynäkologe derzeit 600 bis 800 Euro Versicherungsprämie pro Jahr. In Deutschland liege die Prämie zwischen 12.000 und 40.000 Euro. "Diese 39.000 Euro Mehrkosten wird ein Gynäkologe sicherlich nicht selbst tragen", sagt Ulmer. Er vermutet, dass die Patienten bald jährlich mit 50 Millionen Euro Mehrkosten belastet werden. Vorerst würden das nur Privatpatienten spüren, aber auch Versicherte der Gebietskrankenkassen würden früher oder später dadurch höher belastet werden.
Die Mehrbelastung entsteht durch höhere Prämien der Versicherungen auch deshalb, weil diese für derart hohe Risiken - drei Millionen Euro pro Fall, und das unbegrenzt - Rückversicherungen im Ausland abschließen müssten. "Die Wertschöpfung geht größtenteils ins Ausland", kritisiert Ulmer. Er regt an, das Gesetz noch vor dem Beschluss zu reparieren. Dazu wäre nur ein Halbsatz notwendig: "Die Höchsthaftungssumme ist mit 15 Millionen Euro pro Jahr begrenzt." Damit wäre alles entschärft, sagt Ulmer.
Karlheinz Kux, Kammeramtsdirektor der Ärztekammer, hält sowohl die angenommenen Schadenssummen als auch die Rechnung von Ulmer für weit übertrieben. Es habe in Österreich noch nie einen Ein-Millionen-Euro-Fall gegeben. Auch die Drei-Millionen-Euro-Haftung pro Fall ist für Kux "viel zu hoch, 1,5 Millionen Euro würden völlig ausreichen". Die vereinte Kritik richtet sich gegen die fehlende Höchsthaftungssumme. "Wie oft fällt im Jahr ein mehrfacher Schadensfall an?", meint Kux. Die derzeitige Lösung "ist teuer und unnötig."
ÖVP will Reparatur
ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger kündigte an, dass er mit der SPÖ bis Freitag noch Gespräche führen wolle. Auch er findet die Haftungssummen für "übertrieben".
Das Gesetz sieht eine einjährige Übergangsfrist für die Haftpflichtversicherung vor und gesteht der Ärztekammer zu, mit der Versicherungswirtschaft Modalitäten auszuverhandeln. "Wenn in einem halben Jahr keine Versicherungsprämien zustande kommen, die sich Ärzte leisten können, werden wir wieder zum Gesundheitsminister gehen und eine Korrektur einfordern", sagt Kux. Aber er fordert, dass das Gesetz noch vor der Beschlussfassung geändert wird.