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Kirchen dürften sich mit Abtreibung nicht abfinden. | "Christentum nicht immer noch pflegeleichter machen." | "Wiener Zeitung":"Herr Bischof, hat die Kirche an den Staat dringende Wünsche?"
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Bischof Egon Kapellari: Verglichen mit anderen Ländern ist das Verhältnis zwischen dem Staat und den christlichen Kirchen in Österreich ein sehr gutes. Wir haben, anders als im islamischen Modell, keine Identität von Staat und Religion, aber vielgestaltige Beziehungen beider gewiss zum Wohl der ganzen Gesellschaft. Die Kirchen tragen und beseelen sehr viel in unserer Gesellschaft. Sie tun dies besonders auch als Anwälte des Lebens. Die österreichische Politik hat sich erfreulicherweise der verbrauchenden Embryonenforschung bisher widersetzt und den Damm gegen eine aktive Sterbehilfe gehalten. Anders ist es beim Thema Abtreibung. Die versprochenen flankierenden Maßnahmen sind ganz ausgeblieben. Das ist eine soziale Wunde, mit der sich die Kirchen nicht einfach abfinden dürften.
In der Erzdiözese Wien hat jüngst eine Priesterinitiative um Monsignore Helmut Schüller Sorgen formuliert, die es vermutlich auch in der Diözese Graz-Seckau gibt.
Solche Sorgen haben wir alle, ich will sie nicht klein reden. Beim großen Priestertreffen in der Karwoche bin ich aber argumentierend dafür eingetreten, dass wir betreffend den Zölibat keinen Weg abseits der Weltkirche gehen, und es hat sehr viel Zustimmung gegeben. Als Kirche müssten wir in den westlichen Ländern tiefer graben, wenn wir vitaler sein wollen, als wir es jetzt oft sind. Das Versetzen von Grenzsteinen oder das Wegwerfen eines Schuhs, wenn er drückt, reicht zu Problemlösungen noch nicht aus. Ein tieferes Eintauchen einer Ortskirche in den Quellgrund des Glaubens weckt oft auch neue geistliche Berufungen auf.
Sie haben jüngst auch die Weihe bewährter verheirateter Männer, so genannter "viri probati" angesprochen .....
In einem Zeitungsinterview wurde ich dazu gefragt und habe den Tatsachen gemäß gesagt, dass solches von manchen Seiten angedacht wird, nicht aber von der Leitung der Weltkirche. Ich selbst setze mich dafür ein, dass wir mit der Weltkirche mitgehen. Das Ordensleben und der Zölibat des Weltpriesters sind, wenn sie gelingen, eine große Kraft für die ganze Kirche und Gesellschaft. Die Ostkirche hat zwar auch verheiratete Priester, aber sie hat starke zölibatäre Ordensleute. Auch leben dort viele Priester und alle Bischöfe im Zölibat. Und die Ostliturgie ist vielfach stärker als unsere. Das sind insgesamt Quellen von Kraft, die wir vergleichen müssen. Im Westen würde die Abkehr vom Pflichtzölibat auch die Eheprobleme der protestantischen Geistlichkeit in die katholische Kirche hineintragen. Was die katholische Weltkirche in der Frage priesterlicher Existenz in Zukunft tun wird, wissen wir nicht. Es gibt jedenfalls einen gemeinsamen Glaubensinstinkt, der uns im Ganzen ausreichend tragen und führen wird. Gott verlässt seine Kirche nicht.
Die so genannten heißen Eisen der Kirche - von Em-pfängnisverhütung über die wiederverheirateten Geschiedenen, die Zulassungsregeln zum Priesteramt und die Frage der Mitbestimmung bei Bischofsernennungen - sind Fragen der Weltkirche. Halten Sie unter dem neuen Papst Reformen für möglich?
Die so genannten heißen Eisen sind von Land zu Land und von Kontinent zu Kontinent sehr verschieden heiß. Der neue Papst hat in seiner ersten Enzyklika den Quellgrund benannt, aus dem wir schöpfen können, um Spannungen zu überwinden oder mindestens auszuhalten. Es geht um das Prinzip Liebe in allen seinen Dimensionen und zutiefst um die gekreuzigte, aber schließlich siegreiche Liebe Christi. Eine wirklich liebende Kirche braucht sich nicht einem Liberalismus zu verschreiben, der das Christentum immer noch pflegeleichter machen will und damit die Zukunft in Europa nicht gewinnen kann. Der Papst redet nicht dröhnend, aber er redet deutlich und abseits von Laxismus und Integralismus.
Zur Frage, ob Aids-Kranke Kondome verwenden dürfen, gab es jüngst aus Rom verschiedene Aussagen. Wie denken Sie darüber?
Es ist dokumentiert, dass die katholische Kirche weltweit am meisten tut, um Aids-Kranken beizustehen. Was man insgesamt am besten tun kann, um etwa im südlichen Afrika die Aids-Seuche möglichst umfassend zu bekämpfen, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Das wissen die afrikanischen Bischöfe besser als wir alle. Integration von Sexualität in das Leben ist aber weltweit eine Hauptaufgabe eines jeden Menschen. Dazu gehört auch eine Portion Askese, was man hierzulande oft nicht wahrhaben will.
Welche Entwicklungen stimmen Sie, auf die Kirche bezogen, bedenklich und welche zuversichtlich?
Als Christen leben wir immer gefährlich. Wir werden immer irgendwo verfolgt und sind anderswo zugleich in Gefahr zu verflachen. Trotzdem hat es immer große Synthesen zwischen der jeweiligen Gesellschaft und der Christenheit gegeben, und ich vertraue darauf, dass dies auch in Zukunft so sein wird.