Zum Hauptinhalt springen

Zum Studieren ins Land der "Ösis"?

Von Heiner Boberski

Wissen

Die Unsicherheit an Österreichs Universitäten, insbesondere dort, wo Medizin gelehrt wird, ist groß. Sollte der Europäische Gerichtshof entscheiden, dass Österreich seinen freien Hochschulzugang auch Angehörigen anderer EU-Länder öffnen muss, droht ein Ansturm aus Deutschland - oder ein vor allem die Inländer treffendes Ende des freien Hochschulzugangs.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die bisherige Regelung, dass nur Studierende, die in ihrem Heimatland einen Studienplatz nachweisen können, auch in Österreich Anspruch auf einen solchen haben, ist in den Augen des EuGH offensichtlich nicht haltbar. Sind schon jetzt in etlichen Fächern die Studienplätze rar, so werden sie nach dem drohenden EuGH-Urteil noch schwerer zu ergattern sein.

Denn die heimischen Maturanten dürften starke Konkurrenz bekommen: Wer in Deutschland wegen des dortigen Numerus clausus (Nc) nicht inskribieren darf, könnte nach Österreich flüchten. Seit auch in Deutschland Studiengebühren eingehoben werden dürfen, schrecken auch die hierzulande eingehobenen Gebühren immer weniger ausländische Studierende ab. Wie viele könnten aber nun wirklich zum Studieren ins Land der "Ösis" kommen?

Die Daten der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund her, die deutschlandweit die Plätze in jenen Studienrichtungen vergibt, für die ein bundesweiter Nc besteht, nennen eine Zahl von 63.000 potenziellen Nc-Flüchtlingen.

Bis zum Wintersemester 2004/05 standen für die sieben, nun nur noch sechs Nc-Fächer (Betriebswirtschaft wurde gestrichen) insgesamt 30.247 Studienplätze zur Verfügung, denen 93.076 Bewerber gegenüber standen, was 62.829 abgewiesene Bewerber ausmacht, um rund zehn Prozent mehr als im Wintersemester 2003/04.

25.477 Studenten wurden in Medizin abgewiesen, wo auf jeden der 8.444 Studienplätze vier Bewerber kamen. Zum Vergleich: Im Wintersemester 2004/05 gab es österreichweit 1.954 inländische Studienanfänger für Humanmedizin. In Psychologie wurden 10.369 Studenten abgewiesen (inländische Studienanfänger in Österreich: 1.893), in Zahnmedizin 4.316 (inländische Studienanfänger in Österreich: 276). Die meisten Interessenten pro Studienplatz gibt es in der Tiermedizin, wo 4.202 Bewerber abgewiesen wurden (inländische Studienanfänger in Österreich: 261), die wenigsten in Biologie, wo aber auch 3.986 Interessenten auf der Strecke blieben (inländische Studienanfänger in Österreich: 1.122).

Im Wiener Bildungsministerium rechnet man sogar mit mehr als 80.000 potenziellen Nc-Flüchtlingen, wenn man auch jene deutschen Studienbewerber berücksichtigt, die schon früher abgewiesen wurden und noch immer auf einen Studienplatz warten.