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Zunehmend anmaßender Nationalismus

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Angespanntes Innehalten zwischen China und USA in der Auseinandersetzung über das Südchinesische Meer.


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Auf den entscheidenden Rückschlag Mitte Juli in Sachen Vorherrschaft im Südchinesischen Meer reagiert Peking in vertrauter Weise: Verärgerte Statements, aber wenig Handeln. Auch die USA spielen dabei eine bezeichnende Rolle: Statt über ihren Sieg zu triumphieren, versuchen sie, China von Unbesonnenheiten abzuhalten. Chefhändchenhalterin in diesem Fall ist die nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice, die nach ihrem Pekingbesuch in einem Blogposting schrieb, sie habe die chinesische Führung gedrängt, "unsere beträchtlichen Differenzen konstruktiv handzuhaben": "Ich wiederholte, dass unser vorrangiges Interesse die friedliche Lösung der Konflikte ist und die Aufrechterhaltung der gesetzmäßigen internationalen Ordnung".

Genau diese gesetzmäßige Ordnung hat Peking durch seine Schritte, Gebiete in den umstrittenen Gewässern einzunehmen, angefochten. Der scharfe Verweis des internationalen Schiedsgericht in Den Haag vom 12. Juli schreddert Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer. Das Gericht hat in dem von den Philippinen eingebrachten Fall einstimmig entschieden, dass für die Ansprüche Chinas "keine legale Basis" besteht. "Die Tatsache, dass die Entscheidung gegen China gefallen ist, ist nicht so überraschend. Das Ausmaß, in dem gegen China entschieden wurde, ist es", sagt Christopher Johnson, ein führender Chinaexperte vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Die Abweisung war so überwältigend, dass die Chinesen vorerst innezuhalten scheinen, obwohl sie angekündigt hatten, dass sie die Entscheidung des Schiedsgerichts ignorieren werden.

Erfolgreich hat China einige seiner südostasiatischen Verbündeten überzeugt, eine Resolution zur Bestätigung des Urteils zu blockieren. US-Außenminister John Kerry hatte am Montag in Laos beim Asean-Treffen versucht, einen solchen Konsens zu erreichen. Vergeblich. Die meisten südostasiatischen Staaten sind gegen Chinas Expansionspläne im Südchinesischen Meer, aber Alliierte wie Kambodscha sollen sich auf die Seite Chinas gestellt und jede offizielle Billigung der Entscheidung blockiert haben. "Die Entscheidung des Schiedsgerichts war enorm", sagt ein US-Geheimdienstmitarbeiter: "Die Chinesen tun alles, damit sich niemand dazu äußert. Aber es gibt die Entscheidung und es gibt nichts, was sie dagegen machen können."

Das tiefere Problem, das der Auseinandersetzung um das Südchinesische Meer zugrundeliegt, ist der zunehmend anmaßende Nationalismus von Chinas Präsident Xi Jinping. Aber auch hier haben die Chinesen etwas Abstand genommen von der öffentlichen Anti-USA-Hetze unmittelbar nach der Entscheidung des Schiedsgerichts. Staatliche Medien gaben den USA die Schuld, Demonstranten zertrümmerten iPhones. Was für ein Unterschied zwischen dieser delikaten Diplomatie des wirklichen Lebens und der Donnerbüchsenmanier Donald Trumps und anderer Chinakritiker. Trotz Rices beruhigendem Besuch weiß China, dass die Beziehungen zu den USA auf eine Unterbrechung zusteuern - und Peking nicht wissen kann, was dann kommt.

Übersetzung: Hilde Weiss