In Madrid stehen 700.000 überteuerte Wohnungen leer, der Staat lockt Mieter an.
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Madrid. Der Begriff Madrid bedeutet aus dem Arabischen übersetzt "fruchtbare Hügel". Lange sah es auch so aus, als ob vor allem der Bausektor unendlich Früchte abwerfen würde. Innerhalb von zehn Jahren hat sich in Spanien der Wohnungsbestand verdoppelt - auf rund 25 Millionen Einheiten. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis kletterte etwa in Madrid auf 8000 Euro, was weitere Investoren anlockte.
Nach dem Ende der Immobilien-Fiesta, zeigt sich vor Ort das wahre Ausmaß: Rund um Madrid erstreckt sich ein Raster voll dürrer, mittlerweile wertloser Bauflächen, eingegrenzt mit neuen Straßen und Lampen. Im Kern von Madrid selbst stehen 700.000 Unterkünfte leer, schlichtweg, weil sie zu teuer sind. "Es muss noch eine Preisanpassung von 30 bis 40 Prozent geben", sagt Werner Durrer, Madrider Architekt mit Schweizer Wurzeln.
Der Grund: Viele Wohnungen stehen heute - zu überbewerteten Preisen - in den Bank-Bilanzen, weil die ursprünglichen Kreditnehmer ihre Schulden nicht tilgen konnten. Ein Verkauf zum aktuellen Marktwert würde für die Institute herbe Verluste bedeuten.
Vor allem die spanischen Sparkassen vergaben seit den 90ern Kredite zu Billigkonditionen. "Jede Region benützte ihre Bausparkasse als politisches Instrument. Die Bausteuer - rund vier Prozent des Kaufpreises - war die Haupteinnahme für Kommunen", schildert Pedro Morón Bécquer von der Universität Madrid. Nach dem Bauboom kämpfen nicht nur die Kommunen ums Überleben. Auch der Sparkassensektor schrumpfte innerhalb von eineinhalb Jahren von 47 auf 17 Institute.
Gemeinden lebten vom Bau
Als weitere Ursache für die Immobilienblase sehen Wohnbauexperten die fehlgeleitete spanische Wohnungspolitik: Der Staat hat seit den 70er-Jahren vor allem Eigentum gefördert. Vermieten war hingegen aufgrund eines starken Mieterschutzes und Begrenzungen bei Mieterhöhungen für die Wohnungserrichter unattraktiv. Die Eigentumsquote legte daher in Spanien auf 85 Prozent zu, während sie in Österreich knapp über 50 Prozent beträgt.
Einen Umstand, den auch die OECD bekrittelt: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nannte die kreditfinanzierte Förderung des Wohnungseigentums speziell für einkommensschwache Haushalte als Kern-Faktor für Immobilienkrisen. Ihr Rat: Mieten als Alternative zum Eigentum forcieren.
Tatsächlich hat sich das Bild in Spanien gewendet, seit der Staat Vermieter und Mieter fördert. "Die Wohnungsmieten haben stark zugenommen", sagt Morón Bécquer. Viele hätten sich in Spekulationsobjekten, die für den Kauf derzeit unrentabel sind, eingemietet." Der volkswirtschaftliche Hintergrund: "Wer nur zur Miete wohnt, dem bleibt mehr Erspartes für Konsum, Arbeitnehmer sind für Arbeitsplatz-Wechsel mobiler", erklärt Karl Wurm, Obmann des österreichischen Dachverbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen. In Österreich habe das System der objektorientierten Wohnbauförderung eine Immobilienblase verhindert, zeigt Wurm sich bei einer Madrid-Exkursion des Vereins für Wohnbauförderung überzeugt. "Je stärker die Marktpräsenz des sozialen Wohnbaus, desto eher lassen sich spekulative Auswüchse auf anderen Wohnungsteilmärkten in Grenzen halten." Im Gegensatz zu Spanien, den USA oder Großbritannien, wo Neubauten über den Kapitalmarkt finanziert werden, würden hierzulande über 40 Prozent der Wohnungen durch die staatliche Wohnbauförderung gestützt.
Fehlende Stadtplanung
In drei bis fünf Jahren werde die Bautätigkeit in Madrid wieder anlaufen, sofern die Banken die Geldhähne andrehen, schätzt Professor Morón Bécquer. Weniger optimistisch ist hingegen Durrer. Der Architekt musste in der Krise sein Mitarbeiterteam kündigen, weil Aufträge ausblieben.
Als Zuverdienst führt er nun Touristen durch die Madrider Architektur. Oft sagt er dann Sätze, die auch auf die Zeit vor der Immobilienkrise bezogen sein könnten: "Es gab hier lange keine Stadtplanung. Es wurden pompöse Fassaden errichtet, hinter denen sich nichts verbarg. Der Schein war wichtiger als das Sein."